Kristall der Träume
Hände an die Brust gedrückt, als sie ihrem Herzen Stillstand gebot, bevor die römischen Soldaten sie dazu zwingen konnten, ihrem Glauben abzuschwören.
Winifreds Blick glitt an dem staubigen Gerüst empor, das die Decke über dem Altar umschloss. Die Streben und Stützen waren fünf Jahre zuvor aufgezogen worden, als der Abt die Dachreparaturen versprochen hatte. Dank der Eröffnung des neuen Klosters aber und der Tatsache, dass Oswalds ganzes Geld dorthin floss, hatte der Abt dieses Reparaturprojekt als Verschwendung betrachtet und es eingestellt. Die Arbeiter hatten das Holzgerüst einfach stehen lassen, und für Winifred war seine Anwesenheit fast ein Hohn. Als die Stimmen der Nonnen im Salve Regina erschallten, erhaschte Winifred einen Schatten auf der anderen Seite des Lettners, der die Laien von den Klosterfrauen trennte. Es war Andrew. »Der Abt ist am Ende des Weges«, sagte er leise und mit besorgt geweiteten Augen.
»Danke, Andrew«, murmelte sie. »Lass ihn durch die Pforte ein.«
Die Nonnen ihrem Gesang überlassend, eilte Winifred durch den Kreuzgang zur Küche, wo eine grauhaarige Frau in einem einfachen Gewand Haferbrei über einem Feuer rührte. Es war Dame Mildred, die dem Kloster vor fünfundzwanzig Jahren nach dem Tod ihres Mannes beigetreten war. Da keines ihrer Kinder bis ins Erwachsenenalter überlebt hatte und ihre eigenen Verwandten tot waren, hatte sie die Gemeinschaft der Nonnen zu ihrer Familie gemacht. Als ihr Vermögen aufgebraucht war und sie nicht länger für ihren Unterhalt aufkommen konnte, hatte sie unaufgefordert den Küchendienst übernommen und lange seitdem vergessen, dass sie einst eine adlige Dame gewesen war. »Wir werden Ale für den Abt brauchen«, sagte Winifred. »Und etwas zu essen.«
»O je, warum ist er denn gekommen? Es ist zu früh! « Obwohl Dame Mildred geheißen worden war, Ale für den Abt zu holen, verließ sie den Herd und folgte Winifred zur Besucherpforte, wo sie beide beklommen auf die Ankunft des Abtes warteten. »Ehrwürdige Mutter!«, rief Mildred plötzlich voller Freude. »Seht nur! Der Abt bringt zwei Fasane mit!« Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich abrupt.
»Nein, nur ein Fasan ist’s. Wir sind zu elft, das dürfte nicht im Mindesten ausreichen, und wenn Ehrwürden sich entschließt, mit uns zu speisen…«
»Keine Sorge. Wir schaffen das schon.«
Oberin Winifred sah den Abt auf seinem stolzen Rappen näher kommen. An seiner Haltung konnte sie erkennen, dass ihre Besorgnis gerechtfertigt war. Der Abt hatte mehr als nur heilige Bücher in seinem Rucksack. Er brachte auch schlechte Nachrichten mit.
»Gott segne euer Tagewerk, Mutter Oberin«, rief er, als er von seinem Pferd abstieg.
»Und das Eure, Vater Abt.« Winifred beäugte den armseligen Fasan. Das würde heute Abend ein kärgliches Abendbrot abgeben, dachte sie, während der Abt in der Luft schnupperte, jedoch keine Wohlgerüche aus der Küche ausmachen konnte. Er erinnerte sich an die Tage, als er sich auf Winifreds berühmten blankmanger freuen konnte, diesen Pudding, den sie höchstpersönlich aus Hühnchenpaste, vermischt mit gekochtem Reis, Mandelmilch, Zucker und Anis, zubereitete. Sie tischte köstliche Fischklößchen auf und Schmalzgebäck, bei dessen Genuss einem die Tränen in die Augen traten. Und erst ihre Pflaumenkuchen… Die Erinnerungen ließen ihn tief aufseufzen. Leider waren diese Zeiten vorbei. Wenn er dieser Tage zum Essen blieb, konnte er sich auf altbackenes Brot gefasst machen, Wassersuppe, zerkochten Kohl und Bohnen, die bei ihm eine Woche lang für satten Wind sorgen würden. Mit knurrenden Mägen betraten sie zusammen den Kapitelsaal. Ihre Unterhaltung drehte sich dabei ums Wetter und andere Belanglosigkeiten, »weitschweifige« Themen, wie die Oberin sie insgeheim nannte, denn sie kannte den Abt gut genug, um zu wissen, wann er unangenehme Nachrichten aufschob. Dabei war Winifreds scharfen Augen nicht entgangen, dass der Abt neue Gewänder trug.
Sein Umhang, zwar schwarz, glänzte genauso schön im Sonnenlicht wie der kahle Fleck auf seinem Kopf, wo sein Haar für eine Tonsur geschoren war. Außerdem hatte sein Bauchumfang merklich zugenommen, seit sie ihn das letzte Mal – zwei Wochen war das erst her! – gesehen hatte.
Ihre Gedanken kreisten um das Thema, das er so hartnäckig anzuschneiden vermied. Er brauchte sich gar nicht solche Mühe zu geben, sie wusste bereits, welche Hiobsbotschaft er mitbrachte: Auch in diesem Jahr würde es wieder keine
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