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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Exportkontor befand sich in Genua, doch hatte man den beiden davon abgeraten, sich dort einzuschiffen, da die Überfahrt von Genua aus mehrere Wochen länger dauerte als von Venedig und die Gefahr von Piratenüberfällen entsprechend größer wäre. Daher schlossen sie sich einem Handelstross an, der französische Stoffe in Venedig gegen venezianisches Glas tauschen würde, und zogen die fruchtbare Poebene entlang, bis sie nach Padua abbogen und von dort aus die Adria erreichten. Von Torbach bis über die Alpen waren sie mit Freunden gereist, jetzt befanden sie sich unter Fremden und hielten sich abseits. Das Leben hatte Doktor Mahmoud den unschätzbaren Wert des Schweigens gelehrt, er ließ sich niemals anmerken, dass er Muslim war, denn in dieser Zeit galt er als Feind, und das umso mehr, je näher das Mittelmeer rückte, das von den verhassten Türken beherrscht wurde.
    Venedig versetzte Katharina einen Schock. Zwar waren sie auf ihrer Route durch größere Städte gekommen, auch durch die atemberaubende Metropole Nürnberg, doch Venedig stellte alles in den Schatten. Noch nie hatte Katharina eine so flache Stadt gesehen.
    Nirgendwo war ein Berg oder auch nur ein Hügel in Sicht, die Menschen lebten an Kanälen und benutzten darauf Boote mit merkwürdig geschwungenem Bug. Die Bürger waren weitaus prächtiger gekleidet als die Bewohner nördlicherer Städte; die Damen der Oberschicht trippelten auf hohen Plateauschuhen daher und bedeckten ihr Haar nicht, wie es in Deutschland Sitte war, sondern stellten ihre mit Goldnetzen und Bändern verzierten Locken und Zöpfe stolz zur Schau. Katharina hatte noch nie Männer mit so langen Haaren gesehen, vor allem die Jünglinge wirkten sehr weibisch auf sie, wobei allerdings die anzüglichen Blicke, die sie der blonden Deutschen zuwarfen, durchaus nichts Weibisches an sich hatten. Katharinas Haare waren die Attraktion. Auch in Torbach war ihr goldblonder Schopf Gegenstand der Bewunderung, wenn auch keine Rarität gewesen. Doch je weiter nach Süden sie reiste, desto mehr fiel sie auf. Zwar sah man auch hier Frauen mit blonden Haaren, die jedoch offenkundig gefärbt waren und künstlich wirkten, weshalb Katharina von den einheimischen Männern häufig bewundernde Blicke erntete. Auf dem Weg zum Hafen in der weiten Lagune lief sie dicht neben Doktor Mahmoud, beide hielten ihre Bündel fest umklammert.
    Zwischen den engen Gassen und Kanälen stießen sie auf einen prächtigen Palazzo, in dem gerade eine Hochzeit gefeiert wurde.
    Von einem Balkon aus warfen die Braut und der Bräutigam freigebig köstliches Essen zur Menge hinab, Katharina sah gebratene Fasane, goldene Brotlaibe, kandierte Früchte und Zuckermandeln auf die glücklichen Empfänger herunterregnen. Doktor Mahmoud überlegte nicht lange, rasch stießen sie dazu und schnappten sich einen kleinen Käselaib und ein Büschel roter Trauben, die sie sich auf ihrem Weg zum Hafen schmecken ließen. Später erfuhren sie, dass solch ungeniertes Protzen mit Reichtum und Großzügigkeit in dieser mächtigen Hafenstadt an der Tagesordnung war. Ebenso unmäßig war der Sinn der Venezianer für Strafe, wie Katharina und Doktor Mahmoud wenige Minuten später miterleben mussten: Als sie um eine Ecke bogen, prallten sie in einen wütenden Mob, der sich gerade zweier Männer bemächtigt hatte. Den beiden wurde der Brustkorb aufgerissen, ihre dampfenden Herzen ans Portal einer kleinen Kirche genagelt – ein Racheakt, wie Katharina von einem der Gaffer unterrichtet wurde. Die beiden Männer hatten vergangene Woche das Oberhaupt einer der mächtigsten Familien Venedigs ermordet.
    Sie eilten weiter zum Hafen und gerieten von einem Staunen ins nächste: Durch einen Wald von Aufbauten und Masten, Segeln und Tauwerk sah Katharina aufs offene Wasser hinaus, das von Karavellen und Galeonen, Schiffen mit viereckigen Segeln und solchen mit großem Dreieckssegel, Handels- und Kriegsschiffen, Koggen, Dinghis, Barkassen und Flößen nur so wimmelte; Doktor Mahmoud wies sie sogar auf zwei chinesische Dschunken mit roten, vom Sturm zerschlissenen Segeln hin. Auf den Kais drängten sich Massen von Pilgern, Christen wie Muslime, die zu ihren heiligen Stätten aufbrachen oder von dort zurückkehrten, Marinesoldaten verschiedenster Couleur, Kaufleute, Gelehrte, Offiziere und einfache Matrosen, dazu Hafenarbeiter, die Ballen, Fässer, Vieh und andere Waren an Bord der Schiffe verfrachteten. Die Luft summte von einem babylonischen Sprachengewirr und war

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