Kristall der Träume
Katharina der Zutritt verboten war: ein schöner Säulengang mit Gewölbedecke, der den Namen Perlentor trug. Er führte, wie man Katharina belehrte, zu den Privatgemächern der Sultanin Safiya, der Lieblingskonkubine des Sultans. Um diese Gemächer zu betreten, bedurfte es einer persönlichen Einladung.
Im Palast war immer etwas Aufregendes im Gange, etwa ein religiöser Feiertag mit Musik und Festmahl, ein Fest anlässlich eines Geburtstags oder ein Ehrentag für den Sultan mit Paraden, Fanfaren und geladenen Artisten. Im Serail herrschte stets größte Aufregung, wenn ein Mädchen für das Bett des Sultans auserwählt wurde.
Obwohl sämtliche Frauen des Palasts, von der niedrigsten Sklavin bis zur Sultanin, persönlicher Besitz des Sultans waren, mit dem er nach Belieben schalten und walten konnte, bekamen ihn nur wenige Frauen tatsächlich zu Gesicht. Deshalb gab es im Harem so wenig Kinder, nur ein paar kleine Mädchen, die vom Sultan gezeugt waren.
Drei Jungen waren im Säuglingsalter gestorben, sodass dem Sultan nur ein einziger Sohn blieb, von einer Konkubine, die Katharina nie gesehen hatte. Frauen, die schwanger wurden (meist von einem Wächter oder einem Besucher, der sich heimlich eingeschlichen hatte), wurden zum Tode verurteilt. Die Mädchen kamen als Jungfrauen hierher und lebten ihr Leben, ohne jemals die Berührung eines Mannes kennen zu lernen. Wenn der Sultan daher ein Mädchen an sein Lager befahl (niemand wusste genau, wie die Auswahl vonstatten ging, da er den Harem nie besuchte), wurden in den Tagen davor die festlichsten Vorbereitungen getroffen; aufgeregtes Geschwätz und Spekulationen kreisten um das Ereignis, während die glückliche Auserwählte gebadet und massiert und mit den schönsten Gewändern und Juwelen geschmückt wurde; sie wurde wie eine Königin behandelt und empfing so manchen geflüsterten Hinweis, wie sie dem Sultan Gefallen bereiten könne. Am Morgen danach erreichte die Aufregung ihren Höhepunkt, wenn Überlegungen über die Geschenke angestellt wurden, die die junge Frau erhalten würde, über die Großzügigkeit des Sultans, alle freuten sich aufrichtig für sie, bejubelten ihr Glück und waren natürlich begierig darauf, alles über die Ereignisse der Nacht zu erfahren. Obwohl sie kein zweites Mal ins Schlafgemach des Sultans gerufen würde, besaß sie dennoch als Auserkorene einen ganz besonderen Status im Harem. Eine weitere beliebte Vergnügung der Frauen bestand darin, in kleinen Booten auf einem riesigen überdachten Wasserbecken herumzurudern, dabei die Turbane von den Köpfen der Eunuchen herunterzuschlagen und darin zu wetteifern, wer die Turbane am weitesten ins Wasser schleudern konnte. Endlos zerstreute man sich mit zahmen Affen, Papageien und dressierten Tauben, die kleine Fußkettchen aus Perlen trugen und Kunststücke vorführten; viele Stunden vergingen bei Schach und anderen Brettspielen; ganze Nachmittage wurden mit der Anprobe von Kleidern und Schleiern, Schuhen und Schmuckstücken verbracht; oft bestand die einzige Abendunterhaltung darin, einander die Haare zu bürsten oder zu schminken, neue Parfüms zu mischen, diese oder jene Creme auszuprobieren und sich imaginäre Haare von sämtlichen Körperpartien auszuzupfen.
Auch der Klatsch war aus dem Harem nicht wegzudenken, die Konkubinen und ihre Dienerinnen verschlangen Gerüchte wie kandierte Früchte: Wer mit wem schlief (Jamila und Sarah), wer wessen Herz gebrochen hatte (die Hexe Farida und die arme kleine Jasmin), wer sich in die Gunst der Sultanin Safiya einschleichen wollte, wer fett wurde, wer alt wurde. Wochenlang drehten sich die Gespräche nur um die skandalöse Liebesaffäre zwischen Mariam und einem der afrikanischen Eunuchen – als sie erwischt wurden, wurden beide geköpft und zur Warnung für alle anderen am Kaisertor aufgehängt.
Der hauptsächliche Zeitvertreib bestand allerdings, wie es Katharina schien, im Nichtstun. Ein großer Teil davon spielte sich in den Bädern ab – man ließ sich waschen, massieren, die Körperhaare entfernen. Stunden um Stunden verbrachten die Frauen im Dampfbad, labten sich an Obst und Getränken und ergaben sich dem Klatsch und Tratsch. In diesen Bädern gab es keine Wannen, weil die Türken glaubten, in stehendem Wasser lauerten böse dschinn, daher saßen die Frauen auf Marmorbänken und ließen sich von Sklavinnen einseifen und abspülen. Katharina staunte über ihren völligen Mangel an Schamgefühl, sie trugen keinen Faden am Leib, sondern
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