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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Sultanspalast bedrohten die Wachen Katharina nicht, sondern zeigten nur die Ungeduld von Männern, die sich jetzt gern an den Mittagstisch gesetzt hätten. Katharina versuchte, mit ihnen zu verhandeln: »Die Kosch, die mich hergebracht haben, sind schon wieder aufgebrochen. Ich werde sie nie einholen. Wo soll ich denn hin mit meinem Kind?« Doch die Wachen bedrängten sie, bis sie Adriana hochnahm und einen langen Korridor entlangfloh, der nur wieder zu weiteren Gängen zu führen schien. Als Katharina zurückblickte, waren die Wachen verschwunden.
    Sie sah sich verwirrt um. Was sollten sie jetzt bloß tun? Sie konnten nicht fort, aber bleiben konnten sie auch nicht! »Mama«, sagte Adriana und ließ ihr Köpfchen auf Katharinas Schulter sinken.
    Katharina merkte, wie anstrengend dieser Tag für ihre kleine Tochter gewesen war. Arme kleine Adriana, schon bei der Geburt ein zartes Baby und auch jetzt noch klein für ihr Alter, die Folge ihres harten und oft entbehrungsreichen Lebens bei den Kosch. Die hatten ihnen heute Morgen nicht einmal ein Frühstück gegönnt, fanden das wohl Essensverschwendung, da sie die beiden an die Zhandu verkauften; jetzt war Adriana erschöpft. Katharina beschloss, nach einem Versteck für die Nacht zu suchen und sich morgen zu überlegen, was zu tun wäre.
    Sie liefen durch weitere endlose Gänge. Der Palast von Zhandu ähnelte einem Bienenstock, es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen elegant gekleideter Höflinge, unter denen sich auch Damen befanden, ganz anders als am streng nach Geschlechtern getrennten Sultanshof in Konstantinopel. Sie alle besaßen die asiatischen Gesichtszüge und roten Haare der Kosch. Die Herren trugen wagenradgroße, pelzverbrämte Hüte, die in der Mitte in eine Spitze ausliefen. Die Damen steckten ihre langen Haare zu höchst komplizierten Frisuren auf, eine exotischer als die andere, und alle schienen mit Wichtigem beschäftigt, wenn sie mit Papieren und Büchern, Musikinstrumenten und Tellern voller Essen an ihnen vorbeihasteten, keiner beachtete die Frau in Lumpen mit dem ermatteten Kind auf dem Arm.
    Katharina bemühte sich, um die Wachen und andere, die sie aus der Stadt verscheuchen könnten, einen Bogen zu machen; sie eilte die Korridore aus poliertem Marmor entlang, bis sie auf einen anscheinend verlassenen Flügel des Palasts stieß. Hier entdeckte sie eine spinnwebenverhangene Tür, die zu einem nicht mehr benutzten Raum führen musste, also zu einem sicheren Versteck. Sie stieß sie auf und schlüpfte hinein.
    Im Licht, das durch die hohen schmalen Fenster fiel, machte sie die Umrisse eines runden Turmzimmers aus, das vom Boden bis zur Decke von Waffen aller Art starrte: Schwerter und Speere, Äxten und Wurfspieße, Pfeil und Bogen sowie Kettenhemden und Rüstungen verschiedenster Ausführungen. Katharina war in ein Waffenlager geraten, das allerdings durch die dicke Schicht von Staub und Spinnweben, die über allem lag, recht seltsam anmutete –
    offenbar waren die Waffen seit Jahrzehnten nicht mehr in Gebrauch gewesen.
    Katharina beugte sich aus einem der Fenster und spähte hinaus.
    Am Fuß des Turms fiel der Fels schroff und mehrere hundert Meter tief in ein weites Tal ab, das sich bis zum Horizont hinzog. Zu beiden Seiten des Tals ragten zerklüftete, schneebedeckte Berge in den Himmel. Da der einzige Zugang nach Zhandu über den schmalen Bergpfad führte, war es keinem Feind je gelungen, dieses in schwindelnden Höhen gelegene Königreich zu erobern.
    Wahrscheinlich hatte es seit Generationen keinen Eroberungsversuch gegeben, und so kannten die Bewohner dieser märchenhaften Stadt keine Belagerer oder gar Kriege.
    In einer Kommode fand Katharina Wollmäntel und alte Lederhelme, die, mit Wollstoff umwickelt, als Kopfkissen dienen konnten. Nachdem sie Adriana eingeschärft hatte, ja nichts anzufassen, ließ sie sie in der sicheren Waffenkammer zurück und schlich zu einem Gang, in dem sie auf dem Hinweg einen Altar gesehen hatte. In der Nische darüber befand sich eine Statue, eine schlanke, sanftäugige Göttin mit einem mitfühlenden Lächeln; zu ihren Füßen standen mit Speisen gefüllten Opferschalen, neben denen Kerzen brannten. Katharina flüsterte ein Gebet und nahm etwas von dem Essen und eine Kerze mit – die Göttin, die sie an die Heilige Jungfrau erinnerte, hatte sicher Verständnis dafür.
    Sie und Adriana ließen sich die Feigen und Kuchen schmecken und leerten eine kleine Karaffe mit Fruchtsaft, und nach diesem Festmahl

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