Kristall der Träume
Seidenroben flatterten um Adriano herum wie exotische Vögel. Der weißhaarige Spanier war zwar gramgebeugt, überragte die Zhandu aber immer noch um ein gutes Stück und stand im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit. Er lachte vor Freude darüber, denn auf dem langen Weg hierher hatte er keine Ahnung gehabt, was ihn im Königreich auf dem Dach der Welt erwarten würde.
Doch dann, als ein junges Mädchen zu ihm geführt wurde, das sich respektvoll vor ihm verbeugte und ihn »Vater« nannte, verstummte sein Lachen. Schweigen legte sich über den ganzen Garten, sogar das Vogelgezwitscher und Brunnengeplätscher schien in dem bewegenden Moment gedämpft, als dieser Mann erfuhr, was er noch nicht gewusst hatte: Er hatte eine Tochter.
Es dauerte einige Minuten, bis er die Sprache wiederfand; vor Erschütterung fand er nur stockend Worte: »In meinem Haus in Aragon hing ein Porträt meiner Mutter, als sie in deinem Alter war.
Du gleichst ihr vollkommen, Adriana.«
Vater und Tochter fielen sich in die Arme, und alle weinten vor Rührung, am lautesten der Himmlische Herrscher, der wie ein Kind schluchzte und sich mit seinen blütenweißen Ärmeln übers Gesicht wischte.
Als Katharina in dieser Nacht in Lo-Tans Armen lag, flüsterte er traurig: »Wenn du zu Adriano zurückkehren möchtest, kann ich das verstehen und gebe dich frei, denn er ist dein erster Gemahl. Und wenn du nach Kathay gehen und deinen Vater suchen möchtest, hast du meinen Segen dazu. Doch ich bete zu Kwan Yin, meine geliebte Lotusblüte, dass du mich immer in deinem Herzen bewahrst.« Da antwortete sie: »Du bist mein Gemahl, Lo-Tan, und wirst es immer bleiben.« Was den zweiten Punkt betraf, wurde ihr das Herz schwer:
»Meinem Vater hat ein blauer Stein mehr bedeutet als seine eigene Tochter. Er hat mich nicht nur in der Obhut einer Fremden zurückgelassen, er hat mich verlassen. Wenn ich jetzt auf die Suche nach ihm gehe, müsste ich meine Kinder verlassen. Im Gegensatz zu meinem Vater bedeuten mir meine Kinder mehr als irgendein Stein, der wie eine Art Traum immer verschwindet. Ich werde nicht nach ihm suchen. Mein Platz ist hier, bei dir und meiner Familie. «
Am nächsten Morgen ging sie zu Adriano, der über den märchenhaften Reichtum und die Pracht Zhandus nicht genug staunen konnte. Sie nahm seine rauen Hände in die ihren und sagte:
»Ich werde nicht nach Kathay gehen, um dort nach meinem Vater zu suchen. Ich glaube, dass für meinen Vater die Suche nach dem blauen Stein zur fixen Idee geworden ist, wie für mich die Suche nach meinem Vater. Unterwegs habe ich irgendwann mein wahres Ziel aus den Augen verloren, genau wie er. Mein Vater hat seinen Weg gewählt, Adriano, und ich den meinen. Ich werde hier bleiben.
Und du würdest mir eine unermesslich große Freude bereiten, wenn auch du deine lange Reise beenden und hier bleiben wolltest… als mein lieber Freund«, setzte sie hinzu, denn ihre Ehe mit Lo-Tan stand nun zwischen ihnen, und beiden war klar, dass sie ihre leidenschaftliche Beziehung von früher nie würden erneuern können.
Adrianos Antwort kam tief aus dem Herzen: »Bei unserer ersten Begegnung, Katharina, war ich ein intoleranter Sturschädel. Ich hasste alle, die einem anderen Glauben anhingen. Die Religion war der Maßstab, nach dem ich einen Menschen bewertete. War er kein Anhänger Jesu, dann taugte er für mich nichts. Und in meiner Arroganz hielt ich es für meine Bestimmung, alle Menschen zum wahren Glauben zu bekehren, durch das Wort oder durch das Schwert. Aber als ich nach dem Überfall am Smaragdfluss wieder zu Bewusstsein kam, befand ich mich plötzlich in der Gesellschaft von Feueranbetern. Ich schwebte zwischen Leben und Tod, sie pflegten mich gesund und behandelten mich mit großer Freundlichkeit.
Früher hätte ich sie Götzenanbeter geschimpft, aber in der Zeit meiner Genesung erkannte ich, dass sie Menschen waren wie alle anderen, Menschen, die um ihr Überleben kämpften, in Angst und Hoffnung lebten und die Mächte anbeteten, an die sie glaubten. Ich würde mich sehr glücklich schätzen, wenn ich hier bleiben und den Bewohnern Zhandus die Lehre von Jesus nahe bringen dürfte, Katharina, und wenn sie sich zu seiner Lehre bekennen, umso besser.
Aber ich glaube nicht länger daran, dass man Schädel einschlagen muss, um die Leute zum wahren Glauben zu bekehren, denn ich bin nicht länger überzeugt, dass es einen einzigen wahren Glauben gibt.«
Adriano erklärte weiter, dass er vor Jahren kein Recht dazu
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