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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Kristalls geblickt und seine magische Kraft erkannt hatte, ließ sie ihn in den Bauch einer kleinen Steinfigur einsetzen.
    Von da an wurde der Kristall zum Symbol für Fruchtbarkeit und weibliche Macht.

ZWEITES BUCH
Der Nahe Osten

    Vor 35.000 Jahren

    Noch nie zuvor hatten sie Nebel gesehen.
    Unendlich weit von ihrer Heimat entfernt und hoffnungslos verirrt, hielten die verängstigten Frauen den weißen Nebel für einen bösen Geist, der sich auf leisen Sohlen in die Wälder stahl, die Flüchtlinge von der übrigen Welt abschnitt und sie in einem stillen, konturlosen Reich gefangen hielt. Im Laufe des Nachmittags würde sich der Nebel etwas lichten und ihnen einen kurzen Blick auf ihre unmittelbare Umgebung erlauben, um dann des Nachts, wenn die Sterne herauskamen, heimlich zurückzukommen und die Frauen ein weiteres Mal einzuschließen.
    Der Nebel war indes nicht die einzige Bedrohung in diesem unbekannten neuen Land, das Laliaris Stamm seit Wochen durchwanderte. Überall steckten Geister – im Verborgenen, namenlos und Furcht einflößend, deshalb hielten sich die Frauen dicht beieinander. Der feuchte Nebel ließ sie in ihren Grasröcken frösteln, die in ihrem heimatlichen warmen Flusstal als Bekleidung gereicht hatten, hier jedoch, in dieser unwirtlichen Gegend, in die sie hatten fliehen müssen, kaum Schutz vor der Kälte boten. »Sind wir alle tot?«, flüsterte Keeka und drückte ihr schlafendes Baby fester an die Brust. »Sind wir mit den Männern im zornigen Wasser ertrunken und jetzt Geister? Ist es so, wenn man tot ist?« Sie meinte damit ihr blindes Herumirren im dichten Nebel, ihre hohl klingenden Stimmen und ihre dumpfen Schritte. Als ob sie durch ein Totenreich wanderten. Zumindest mussten sie wie Gespenster aussehen, sagte sich Keeka beim Anblick ihrer Begleiterinnen, wie sie sich vorsichtig durch den dichten Nebel tasteten: barbrüstige Frauen mit hüftlangen Haaren, die Körper über und über mit Muscheln, Knochen und Elfenbein behängt, Bündel von Tierhäuten auf den Schultern verzurrt, die Fäuste um mit Steinspitzen bewehrte Speere geklammert. Nur ihre Gesichter wirkten nicht wie die von Geistern, fand Keeka. Ihre vor Angst geweiteten Augen waren noch menschlich. »Sind wir tot?«, wiederholte sie im Flüsterton.
    Keeka bekam keine Antwort von ihrer Cousine Laliari, die, von tiefer Trauer erfüllt, nicht zu sprechen vermochte. Denn schlimmer noch als der bedrohliche Nebel, die Kälte und die unsichtbaren Geister war der Verlust ihrer Männer.
    Dorons dunkler Haarschopf, der im tosenden Wasser verschwand. Sie versuchte sich den geliebten Doron vor der Tragödie vorzustellen – jung, bartlos, von schlankem Wuchs –, ein tapferer Jäger, der abends friedlich am Lagerfeuer saß und Elfenbein schnitzte. Doron lachte viel und erzählte gerne Geschichten. Auch hatte er im Gegensatz zu den anderen Männern eine Engelsgeduld mit Kindern. Er ließ sie nicht nur auf seinen Schoß klettern, er freute sich sogar und lachte darüber (wurde aber vor Verlegenheit rot, wenn man ihn dabei ertappte). Am schmerzlichsten war Laliaris Erinnerung an Dorons lustvolle Umarmung des Nachts, wie er danach die Arme um sie geschlungen einschlief und sein Atem ihren Nacken streichelte.
    Laliari unterdrückte ein Schluchzen. Sie durfte nicht mehr daran denken. Es brachte Unglück, wenn man an die Toten dachte. Die Eindringlinge hatten sie einfach überrumpelt. Laliari und ihr Stamm hatten seit Generationen das Flusstal bewohnt, als plötzlich Fremde aus dem Westen in der grasigen Ebene erschienen, Hunderte, Tausende von Menschen, die erklärten, ihr Gebiet im Landesinneren trockne aus und würde zur Wüste. Während sie ihre Notlage schilderten, hatten sie mit gierigem Blick die satten Wiesen diesseits und jenseits des Flusses gemustert, die grasenden Herden, die reichen Fischbestände und die zahllosen Vögel. Nahrung im Überfluss, die sie jedoch für sich allein beanspruchten. Nach einem langen, erbitterten Gebietskampf hatte Laliaris Stamm den zahlen-und kräftemäßig überlegenen Neuankömmlingen weichen müssen und war nach Norden geflohen. Auf dem Rücken ihre gesamte Habe
    – die schweren Elefantenknochen, die den Rahmen für ihre tragbaren Zelte bildeten, und die Tierhäute, die über den Rahmen gezogen wurden. Im Flussdelta waren sie auf einen anderen Stamm gestoßen, der ebenso wenig gewillt war, seine Nahrungsquellen zu teilen. Und so hatte es wieder einen blutigen Kampf um Land und Nahrung gegeben, und

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