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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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von sich. Schweigend sah die Familie mit an, wie die Große nicht aufhörte, zu wimmern und mit den Fäusten auf die Erde zu trommeln. Dann verstummte auch sie, und als sie endlich aufstand, wichen die anderen zurück. Sie war der Inbegriff von purer Macht –
    hoch gewachsen und schwanger, wie sie so dastand, geschmückt mit dem blauen Wasserstein, der zwischen ihren prallen Brüsten aufblitzte. Nacheinander blickte sie Dorns Mörder an, die alle außer Löwe und Honigfinderin beschämt die Augen senkten.
    Stille breitete sich aus, nur das Summen von Insekten und in der Ferne das Rumoren der Erde waren zu vernehmen. Mit angehaltenem Atem verfolgte die gesamte Familie, wie die Große ihre Gegner mit herausfordernden Blicken maß. Selbst die Kinder verhielten sich mucksmäuschenstill.
    Und dann griff die Große bedächtig nach einer von Dorns Schleudern im Gras sowie nach einem Stein. Löwe richtete sich auf, umspannte fest den Griff seiner Keule. Aber die Große griff so schnell und unerwartet an, dass er nicht mehr einschreiten konnte. Im Nu hatte sie den spitzen Stein an der Schleuder befestigt, die sie sofort mit einer ausholenden Armbewegung auf Honigfinderins Schädel niedersausen ließ.
    Verdutzt taumelte die Ältere zurück. Noch ehe jemand dazwischen gehen, noch ehe selbst Löwe seine Keule erheben konnte, schwang Große abermals die Schleuder, und diesmal traf der Stein Honigfinderin zwischen die Augen. Mit einem Aufschrei stürzte sie zu Boden, und schon stand Große über ihr, ließ immer und immer wieder die Schleuder auf sie hinuntersausen, bis das Gesicht von Honigfinderin bis zur Unkenntlichkeit zerschmettert war.
    Dann wandte sich die Große Löwe zu und spuckte verächtlich vor ihm aus.
    Er rührte sich nicht. Ungeachtet des heißen Windes, der vulkanische Asche und Schlacke um sie herum wirbelte, hielt die Große den Blick fest auf Löwe gerichtet, bannte ihn, der nicht nur um einiges größer und stärker war, sondern darüber hinaus bewaffnet und am Rücken mit dem räudigen Fell einer Löwin gepanzert, gleichsam damit. Herausfordernd und trotzig standen sie sich so gegenüber. Während gegenseitiger Hass gleich den Funken aus dem Vulkan sprühte und die Familie atemlos wartete, was wohl als Nächstes passieren würde, fing die Erde plötzlich an zu beben, heftiger denn je, sodass viele zu Boden gerissen wurden.
    Instinktiv flüchtete sich die Familie unter die Bäume, nur die Große rührte sich nicht von der Stelle. Aus dem entfesselten Berg jenseits des Waldes regnete es Asche, Glut und rote Schlacken. Die Baumkronen fingen Feuer und loderten auf.
    Mit einem Mal erkannte die Große die namenlose Gefahr, die sie seit Monaten beschlich, konnte sie dieses immer stärker werdende Gefühl der Bedrohung deuten. Und sie vollzog einen weiteren Schritt, begriff, dass diese Gegend nicht gut, dass es an der Zeit war, von hier wegzugehen, mochten ihre Vorfahren auch seit Millionen von Jahren hier gelebt und sich weiterentwickelt haben. Sie schaute auf den Wasserstein zwischen ihren Brüsten, griff danach und hielt ihn wie ein Ei in ihrer Handfläche, und als sie dem Feuer speienden Berg den Rücken zukehrte, sah sie, dass das schmale Ende des blauen Steins in die vor ihr liegende Richtung wies, nach Osten, und in seinem kristallinen Inneren erblickte sie einen Fluss, der Wasser verhieß.
    Sie hob den Arm und deutete nach Westen, wo der Himmel von schwarzem vulkanischen Rauch überzogen war. »Schlecht!«, rief sie.
    »Wir sterben! « Dann hob sie den anderen Arm und deutete auf den klaren Himmel im Osten. »Dort! Wir gehen! « Es klang wie ein Befehl, laut genug, um das Rumoren der Erde zu übertönen. Die Familie tauschte fragende Blicke aus, und an ihrer Haltung war zu erkennen, dass sich viele der Großen anschließen wollten, es aber aus Angst vor Löwe noch nicht wagten.
    »Wir gehen!«, sagte sie noch nachdrücklicher und deutete wieder gen Osten.
    Löwe wandte sich trotzig dem rauchenden Vulkan zu, und als er in Richtung des Berges ging, schlossen sich der Hungrige, Beule und Skorpion an.
    Die Große spuckte abermals verächtlich auf den Boden und warf dann einen letzten Blick auf Dorn, über dessen grässlich entstellten Körper sich bereits eine dünne Schicht Asche legte. Als sie feststellte, dass Baby, Nüster, Feuermacherin und Gräte entschlossen waren, bei ihr zu bleiben, kehrte sie der todverheißenden Wolke am westlichen Himmel den Rücken zu und schlug entschlossen den Weg nach Osten ein,

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