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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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mit seinen kurzsichtigen Augen ins Wasser.
    Als er sah, wie viele Fische sich an den seichten Stellen tummelten, lief ihm das Wasser im Munde zusammen. Die Kinder wurden zum Beeren- und Eiersammeln ausgeschickt und dabei streng ermahnt, die Tabus in diesem fremden Land zu respektieren und auf keinen Fall irgendwelche Geister zu kränken.
    Schließlich wurde von Alawa eine Mondwache abgestellt und instruiert, die anderen sofort zu wecken, sobald der Mond sich zeigte.
    Mit viel Glück würde diese Nacht der Mond aufgehen, ehe der Nebel wieder einsetzte.
    Während die Frauen und Kinder sich um das wärmende Feuer versammelten, schlüpfte Alawa aus dem Kreis und schritt ans Seeufer. Sie hatte beschlossen zu handeln, sollte sich der Mond heute Nacht wieder nicht zeigen. Morgen würden die Knaben sterben.
    Keeka hatte die Alte davonschlurfen sehen, den einst so stolzen Körper nun unter dem Gewicht des Gazellengeweihs gebeugt. Sie hegte schon länger den Verdacht, dass Alawa schwer an einem Geheimnis trug, und Keeka wusste, worum es ging. Alawa machte sich daran, ihre Nachfolgerin zu bestimmten.
    Die Hüterin des Gazellengeweihs war die wichtigste Person innerhalb des Clans, ihr standen die besten Hütten, das beste Essen zu. Keeka brannte darauf, Alawas Nachfolgerin zu werden, doch das lag nicht in ihrer Macht. Die Wahl wurde durch Omen bestimmt, durch das Deuten von Zeichen und Träumen. War die Wahl einmal getroffen, lebte die Nachfolgerin ständig an Alawas Seite, um die Vorgeschichte des Clans zu erlernen, um den Geschichten und Legenden zu lauschen und sie in Erinnerung zu behalten, wie Alawa es als junge Frau vor vielen Jahren gelernt hatte. Der langen Geschichte des Clans würde nun ein weiteres Kapitel hinzugefügt werden – die Invasion der Fremden aus dem Westen, die Flucht des Clans, der Untergang der Männer in dem neuen Meer, der Verlust des Mondes und dieser endlose Marsch auf der Suche nach einer neuen Heimat. Keekas Betrachtungen wurden durch ein kindliches Quieken unterbrochen. Ihre Cousine Laliari hatte eines der Waisenkinder auf dem Schoß und kitzelte es. Keekas Augen verengten sich. In ihr keimte der Verdacht, dass Alawa sich für Laliari entscheiden könnte. Keekas Hass auf die Cousine hatte sich bereits vor zwei Jahren zusammengebraut, als der schöne Doron sich dem Gazellenclan anschloss. Keeka hatte nichts unversucht gelassen, ihn in ihre Hütte zu locken, doch Doron hatte nur Augen für Laliari gehabt. So etwas geschah selten. Die geschlechtliche Vereinigung von Männern und Frauen geschah willkürlich und unverbindlich, ohne feste Regeln. Nur zwischen Doron und Laliari hatte sich eine tiefe Zuneigung entwickelt, die andere ausschloss und eine Ahnung von Ehe und lebenslanger Partnerschaft weckte, auch wenn diese Lebensform erst viele Jahrtausende später entstehen sollte.
    Je mehr Keeka diesen hübschen Jäger begehrte und je länger er sie ignorierte, desto heftiger wurde ihr Verlangen. Nachdem Doron ertrunken war, hatte Keeka sich eine gewisse Häme nicht versagen können, denn nun konnte nicht einmal Laliari ihn mehr haben. Ihre Schadenfreude wurde noch durch die Tatsache verstärkt, dass Laliari kinderlos war, nachdem ihr erstes Kind den ersten Frühling nicht mehr erlebt hatte. Und da es in diesem fremden Land keinen Mond gab, der ihr ein neues Kind schenken würde, blickte Keeka als Mutter einer sechsköpfigen Brut selbstgefällig auf die Cousine herab. Der Gedanke, dass Alawa Laliari zu ihrer Nachfolgerin bestimmen könnte, ließ Keeka nicht mehr los.
    Mit dem Essen und der Körperpflege waren sie fertig, nun brach die Stunde des Geschichtenerzählens an. Die Frauen warteten darauf, dass Alawa sich ans Feuer setzte und mit ihrer abendliche Erzählstunde begann. Laliaris Volk liebte es, Geschichten zu lauschen, die über Generationen weitergegeben worden waren und die ihnen Halt in einer ansonsten verwirrenden Welt gaben. Die Geschichten zeigten ihnen, welchen Platz der Einzelne in der Schöpfung einnahm und dass sie alle Teil eines Ganzen waren; Mythen und Legenden bestätigten Vertrautes und erklärten Rätselhaftes. Die Frauen und Kinder saßen stumm und lauschten gebannt, wenn Alawa mit ihrer alten brüchigen Stimme anhob: »Vor langer, langer Zeit… bevor es noch den Gazellenclan gab, bevor es den Fluss gab… kamen eure Mütter von weit her aus dem Süden gezogen. Die Erste Mutter hatte sie geboren und ihnen geboten, nach Norden zu ziehen, um dort eine Heimat zu finden. Den Fluss

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