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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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– sie sollten ertrinken.
    Als sie Schritte hörte, wandte sie sich um und sah Belleks vertraute Gestalt aus dem Schilf auftauchen. Nach Atem ringend blieb er neben ihr stehen. Es war ihm nicht verborgen geblieben, dass Alawa sich mit einer wichtigen Entscheidung quälte. Sie macht sich bereit, ihre Nachfolgerin zu bestimmen, dachte er.
    Er hätte bei der Entscheidung gerne ein Wort mitgeredet, aber die Hüterin des Gazellengeweihs allein wusste, wer die nächste Hüterin sein würde.
    »Soll es Keeka sein?«, raunte er in der stillen Hoffnung, dass dem nicht so wäre. Keeka hatte einen gierigen Zug an sich, der, wie er befürchtete, dem Clan nur schaden würde. Wenn es nach Bellek ginge, würde er Laliari wählen, weil die Hüterin der Clansgeschichten frei von jeder Selbstsucht sein musste.
    Alawa schüttelte den Kopf – ganz langsam, soweit es das Gewicht der Gazellenhörner erlaubte. In ihrer Jugend hatte sie deren Gewicht kaum empfunden, aber mit zunehmendem Alter war das Geweih so schwer geworden, dass sich ihr Nacken darunter bog.
    »Morgen werden die Knaben sterben müssen«, erklärte sie mit brüchiger Stimme.
    Bellek schaute sie ungläubig an. »Was hast du gesagt?«
    »Die kleinen Jungen müssen sterben. Die Geister der Jäger sind auf sie eifersüchtig, deswegen verfolgen sie uns, und der Mond hält sich bedeckt. Wenn die Knaben nicht sterben, wird der Clan aussterben. Endgültig.«
    Bellek hielt den Atem an und malte hastig ein Schutzzeichen in die Luft. »Wir werden es im Wasser tun«, erklärte Alawa mit aller Entschlossenheit. »Die Jäger sind darin ertrunken, also müssen die Knaben auch ertrinken.« Sie warf Bellek einen scharfen Blick zu.
    »Du wirst auch sterben müssen.«
    »Ich?« Er rang nach Luft. »Der Clan braucht mich doch!«
    »Der Clan hat immer noch mich. Und wenn der Mond der Meinung ist, dass wir Männer brauchen, wird er uns neue schenken.«
    »Was bin ich denn für eine Bedrohung? Die Knaben, die einmal zu Jägern heranwachsen, ja. Aber ich bin ein alter Mann.«
    Alawa erhob ihre Stimme. »Du hast die Eifersucht der Männer auf dich gezogen, weil du am Leben geblieben bist. Selbstsüchtiger Mann! Würdest du das Aussterben unseres Volkes in Kauf nehmen, wenn du dich nicht opferst?«
    Bellek begann zu zittern. »Könnte es ein Irrtum sein?«
    »Du wagst es! «, schrie Alawa. »Du ziehst meine Träume in Zweifel!
    Du stellst infrage, was die Geister mir befohlen haben. Du bringst mit deinem Zweifel Unglück über uns alle!« Sie wedelte mit den Händen vor den Augen, als ob sie einen bösen Geist verscheuchen wollte. »Nimm zurück, was du eben gesagt hat, oder wir werden alle die Folgen zu tragen haben! «
    »Es tut mir Leid«, stammelte er. »Es lag mir ferne zu zweifeln.
    Die Geister haben gesprochen. Die… « Er brachte die Worte kaum über die Lippen. »Die Knaben werden sterben.«
    Während Alawa unter weichen Fellen schlief, blieb Laliari mit dem Rücken an die Zeltwand gelehnt sitzen. Der Wunsch der Alten, ihr in ihrer Hütte Gesellschaft zu leisten, hatte sie vollkommen überrascht, und die bewundernden und neidischen Blicke der anderen waren ihr nicht entgangen. Ganz besonders die von Keeka, wusste doch jeder, was dies bedeutete: dass Alawa Laliari zu ihrer Nachfolgerin bestimmen würde.
    Doch die alte Frau hatte sich sogleich schlafen gelegt, und nun war es angenehm warm in der Hütte. Laliari schlang die Arme um die angezogenen Knie und bettete den Kopf darauf. Sie hatte gar nicht einschlafen wollen, aber als sie erwachte, kroch bereits der graue Morgen ins Zelt. Ohne sie anzusehen, wusste Laliari, dass Alawa tot war. Mit vor Angst geweiteten Augen floh die junge Frau aus der Hütte. So nah war sie noch nie einer Toten gewesen. Wo war Alawas Geist hingegangen?
    In panischer Angst kniff Laliari sich mit den Fingern die Nasenlöcher zu in der vagen Hoffnung, den Geist der Alten von sich abzuhalten. Ihr Wehgeschrei weckte die anderen. Kaum hatte sich die Nachricht von Alawas Tod verbreitet, rissen die Frauen ihr Zelt nieder. Bellek untersuchte Laliari aufs Gründlichste, ihre Augen, ihre Ohren, ihren Mund und ihre Vagina. »Kein Geist da«, konnte er sie schließlich beruhigen. Womöglich war Alawa schon zu alt gewesen und ihr Geist hatte ihren Körper nicht so schnell verlassen können, wie er das bei jüngeren Menschen tat. Vielleicht kämpfte dieser alte Geist gerade jetzt damit, seiner irdischen Hülle zu entkommen.
    Bellek bedeutete den trauernden Frauen, dass sie

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