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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Datteln und Maiskolben unter ihrem Hüttendach. Keiner im Clan neidete ihr die Schätze, denn allen ging es gut. Jetzt saß Keeka erschöpft da, die mageren Schultern hochgezogen, und knabberte traurig ihre Nüsse.
    Unwillkürlich wanderten Laliaris Finger zu dem Schutzamulett an ihrem Hals, einem Talisman aus Elfenbein, der bei zunehmendem Mond geschnitzt worden war. Sie trug noch eine Halskette aus über hundert Hornissenkörpern, die sie mit viel Mühe gesammelt, getrocknet und poliert hatte. Sie sahen wie kleine Nüsse aus und klickten leise beim Gehen. Mit dieser Kette beschwor Laliari die Kraft der Hornissengeister, die sie und ihren Clan beschützen sollten, waren die Hornissen doch bekannt dafür, dass sie ihre Nester erbittert verteidigten.
    Indes fand Laliari heute wenig Trost bei ihren Amuletten und Halsketten. Sie, ihre Schwestern und Cousinen hatten ihr Land, ihre Männer und den Mond verloren. Wenn sie doch nur den Namen ihres geliebten Doron aussprechen dürfte, wäre das schon ein großer Trost.
    Da Namen jedoch ein kraftvoller Zauber innewohnte, durften sie nicht leichtfertig ausgesprochen werden, denn ein Name verkörperte das heilige Wesen eines Menschen und stand in direkter Verbindung mit seinem Geist. Weil Namen magische Bedeutung besaßen und über den Verlauf eines Menschenlebens bestimmen konnten, wurden sie nur mit großer Umsicht, nach viel Überlegung und dem kunstvollen Deuten von Zeichen und Omen verliehen. Oft richtete er sich nach einer speziellen Tätigkeit, die der- oder diejenige ausübten, wie etwa Bellek, was so viel hieß wie »Deuter von Zeichen«. Laliari war die »zwischen dem Lotus Geborene«, weil ihre Mutter beim Wasserholen am Fluss von den Geburtswehen überrascht worden war. Und somit stand Laliari ihr Leben lang unter dem Schutz der Lotusblume. Keeka (»Kind des Sonnenuntergangs«) hieß so, weil sie zu jener Stunde geboren war. Ein einmal benutzter Name wurde nie wieder verwendet. Außerdem brachte es Unglück, den Namen eines Toten auszusprechen, weil dies den unglückseligen Geist beschwor.

    So musste Laliari also Stille über Dorons Namen bewahren und ihren geliebten Mann der Vergessenheit anheim geben.
    Sie zog das Gazellenfell enger um sich. Bei der Erinnerung daran, wie Doron sie des Nachts in ihrer Hütte gewärmt hatte, stiegen der frierenden Laliari heiße Tränen in die Augen. Wie liebevoll und geduldig Doron nach dem Tod ihres Babys mit ihr umgegangen war. Gewiss betrauerten die meisten Männer den Tod eines Kindes, stellte er doch für den gesamten Clan einen Verlust dar, doch trösteten sie sich gewöhnlich rasch wieder und konnten die lang anhaltende Trauer einer Mutter nicht verstehen. Schließlich schenkte der Mond einer Frau doch wieder neue Kinder. Nur Doron hatte verstanden. Ungeachtet der Tatsache, dass er selbst nie erfahren würde, was einen eigenen Sohn oder eine eigene Tochter zu haben bedeutete, und dass für ihn das einzige Blutsband mit einem Kind nur durch die Kinder seiner Schwester bestand, hatte er verstanden, dass Laliaris Baby von ihrem Blut war und ihr Schmerz dem entsprach, den er beim Tod seiner Schwester Sohn empfunden hatte.
    Doch nun war Doron tot. Von tosenden Wellen verschlungen.
    Alawa stieß einen Warnruf aus. Die Bäume weinten! Es war der Nebel, der sich im Tal so verdichtet hatte, dass er wie Regen von den Ästen und Blättern tropfte. Alawa jedoch wusste, was das wirklich bedeutete: Die Geister der Bäume waren unglücklich.
    Sie schlug ein Schutzzeichen in die Luft und zog sich hastig zurück. Ihre Besorgnis wuchs mit jedem Tag. Belleks Hoffnung, den Mond in nördlicher Richtung zu finden, mochte Alawa nicht teilen.
    Alles in ihrem Exil war bisher fremdartig und sonderbar gewesen, angefangen mit dem Binnenmeer, das weder Fische noch überhaupt irgendwelches Leben aufwies. Was für eine Enttäuschung, als sie nach ihrem Marsch ostwärts von dem Meer ohne jenseitiges Gestade an dieses Gewässer gelangt waren, in dem weder Fische schwammen noch Algen wuchsen und das nur von einem salzverkrusteten Ufer gesäumt wurde, an dem keine Muscheln und kein Schilf wuchsen –
    ein Meer ohne jegliches Leben. Selbst Alawa hatte so etwas noch nie gesehen. Dennoch waren sie dem versalzten Ufersaum gefolgt und schließlich zu einem Fluss gekommen, der rückwärts floss!
    Ihm folgten sie weiter, zunächst durch ein ödes Gebiet mit felsigem Grund und spärlicher Vegetation, dann durch eine fruchtbare Gegend, wo Weiden, Oleander und

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