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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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entdeckte, erschrak sie heftig. War Josu etwa von einem bösen Geist heimgesucht worden?
    Josu hielt sich den Bauch, der ebenfalls schmerzte. Laliari wurde bleich. Der Geist war durch seinen Mund eingedrungen und steckte jetzt in seinem Bauch!
    Während sie fieberhaft überlegte, was zu tun sei, begann Josu zu zittern. Sie nahm ihn in die Arme und versuchte, ihn zu beruhigen, aber sein Zittern wurde immer heftiger.
    Nun wurden auch die anderen Frauen aufmerksam, sie umringten den Knaben, legten ihm die Hand auf und murmelten beschwörende Worte.
    Als er plötzlich anfing zu keuchen und nach Atem rang, rief Laliari in ihrer Verzweiflung nach Bellek. Der ganze Clan hatte sich inzwischen versammelt und sah in atemlosem Schweigen zu, wie Bellek, mit all seinen Zauberamuletten und Fetischen behängt, sich über den Jungen beugte und verschiedene Stellen seines Körpers berührte. Dann legte er dem Jungen einen machtvollen Talisman auf den Leib, und während er einen mystischen Singsang anstimmte, tauchte er die Finger in ein Gefäß mit Farbpigmenten und malte heilende Symbole auf Stirn, Brust und Füße des Jungen. Josus Atem kam nur noch stockend.
    Am äußersten Rand der Gruppe saß Keeka und schob sich ungerührt Nüsse in den Mund. Da sie selbst so gern aß, war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, dass Laliari ihre Kinder zuerst von den Rhabarberblättern würde kosten lassen. So hatte der böse Geist also von dem kleinen Jungen Besitz ergriffen und nicht von Laliari.
    Keeka war klug genug zu wissen, dass sie ihre Chance verspielt hatte und Doron ihr niemals gehören würde. Dennoch bereiteten ihr Laliaris Schock und ihre Tränen eine gewisse Genugtuung.
    Mittlerweile hatte Josu, von heftigen Krämpfen geschüttelt, das Bewusstsein verloren.
    »Rette ihn!«, schrie Laliari unter Tränen.
    Während der alte Bellek noch zögerte, hatten die Krämpfe aufgehört. »Josu?«, fragte Laliari mit einem Funken Hoffnung im Herzen. Die Brust des Jungen hob sich in einem letzten langen Atemzug, dann lag er still.
    Es war die traurigste »stille Wache«, die die Clansleute je abgehalten hatten, und als sie mit kummervoller Miene ihre Zelte abrissen – das Gesetz gebot, dass sie weiterzogen und Josu den Elementen überließen –, sprach keiner ein Wort.
    Obwohl die Zeit zum Aufbruch drängte, nun, da das Ritual vollendet war, verharrte Laliari mit fahlem Gesicht beim Leichnam ihres Sohnes. Die Clansmitglieder, die bereits ihre Habe geschultert hatten und marschbereit waren, traten nervös auf der Stelle. Sie fürchteten, dass Laliari Unglück über sie brächte.
    Als sie dann auch noch den Knaben schluchzend in die Arme nahm, wichen sie ängstlich zurück. Wir müssen sie zurücklassen, meinten die einen. Aber sie trägt das Gazellengeweih, befanden die anderen. Doron setzte sich unschlüssig neben sie und streckte die Hand nach ihr aus, wagte jedoch keine Berührung.
    Laliaris Tränen versiegten, und eine merkwürdige Ruhe kam über sie. Ihr Blick wanderte zu den nahe gelegenen Kliffs, und mit einem Mal fiel ihr jene Höhle wieder ein, in der das Kind begraben lag.
    Hastig nestelte sie an dem kleinen Lederbeutel an ihrem Gürtel und zog die Steinfigur heraus. Während sie auf den blauen Kristall starrte, wurde ihr plötzlich klar, was Zant ihr damals in der Höhle zu erklären versucht hatte: Dieser Stein stellte keine Frau mit einem Baby im Leib dar, sondern ein Grab mit einem Kind darin. Mein Sohn wird weder den wilden Tieren noch dem Wind und den Geistern überlassen. Und er wird nie vergessen werden. Unter den verwunderten Blicken der Menge hob Laliari Josus Leichnam auf und schritt, das Baby auf dem Rücken und Vivek an ihrem Rockzipfel, aus dem Lager.
    Die anderen zögerten, unschlüssig, was sie vorhatte. Als sie jedoch sahen, dass Bellek hinter ihr herhumpelte, überwog ihre Neugier, und sie folgten dem alten Schamanen in gebührendem Abstand. Würde er ihr befehlen, den Jungen hier zu lassen und mit dem Clan zu ziehen? Und wohin ging Laliari eigentlich? Sie erhielten ihre Antwort, als Laliari, am Fuß der Klippen angelangt, ihren mühsamen Aufstieg begann. Dabei musste sie immer wieder pausieren, um auf Vivek zu warten oder ihre traurige Last wieder zurechtzurücken. Sie blickte sich nicht ein einziges Mal um.
    Die Höhle, die Laliari wählte, war nie bewohnt worden, weil sie sehr eng und niedrig war, dennoch bot sie Schutz vor den Elementen.
    Der Boden war weich und sandig. Laliari legte Josu vorsichtig ab und begann

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