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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Festung bestand aus einer merkwürdigen Ansammlung von Häusern, die wie die Waben in einem Bienenkorb dicht aneinander gebaut waren, ohne Fenster oder Türen, mit nur einer Öffnung im Dach. Avram wurde in einen Innenhof gebracht, der so von hohen Mauern und umliegenden Berggipfeln überschattet war, dass kein Sonnenstrahl je die Pflastersteine erreichte. Hier verbrachte Hadadezer seinen Lebensabend, auf einer mit Kissen und Fellen üppig ausgestatteten Plattform liegend und von Dienern umsorgt. Sein rundes Vollmondgesicht glänzte vor Schweiß, sein gewaltiger Leib wogte nach allen Seiten, und seine geschwollenen Füße erweckten den Eindruck, als hätten sie seit Jahren den Boden nicht mehr berührt.
    Als er seinen Besucher erblickte, quollen ihm die Augen aus ihren Fettwülsten hervor. »Großer Schöpfer! Mein alter Freund Yubal!«
    Avram blieb wie angewurzelt stehen. Sah der alte Mann Gespenster? Doch Hadadezer schaute ihn direkt an. »Du irrst dich, ich bin Avram, der Sohn von Chanah aus dem Talitha-Clan. Du wirst mich nicht mehr kennen… «
    »Aber gewiss erinnere ich mich! «, tönte der Alte. »Großer Schöpfer, was für eine Freude, den Sohn meines guten alten Freundes zu sehen, möge sein Geist Frieden finden!«
    »Sohn?«, gab Avram zurück.
    Hadadezer schwenkte die mächtigen Arme. »Bildlich gesprochen, da ein Mann ja keine Söhne haben kann. Aber deine Ähnlichkeit mit Yubal, möge er Frieden bei der Göttin finden, beweist, welchen Einfluss sein Geist auf dich hat!« Er schnippte mit den Fingern, und sogleich wurde ein wundersamer Gegenstand in den Hof gebracht: eine Scheibe aus Obsidian, fast so groß und so breit wie ein Mensch, messerdünn, so flach wie das Tote Meer und in einen Muschelrahmen gefasst. Im richtigen Winkel betrachtet, stand auf einmal Yubals Geist in dem vulkanischen Gestein. Avram sprang zurück und zeichnete hastig ein Schutzzeichen in die Luft.
    Hadadezer lachte dröhnend. »Hab keine Angst, mein Junge! Das ist nur ein Spiegelbild von dir!«
    Fasziniert wandte Avram seinen Kopf hierhin und dorthin, hob erst den einen Fuß, dann den anderen und stellte fest, dass das Bild tatsächlich er selber war.
    Das erfüllte ihn mit Besorgnis. Der einzige Ort, an dem man sein Abbild sehen konnte, war im Wasser, und es brachte Unglück, wenn man zu lange ins Wasser schaute, weil es einem die Seele stehlen konnte. Fasziniert starrte er auf den bärtigen Mann, der ihn aus dem schwarzen Glas heraus anblickte. Die Gestalt glich Yubal bis aufs Haar.
    »Komm, setz dich«, hob Hadadezer an. »Lass uns essen und trinken und von den guten alten Tagen sprechen, die besser waren als die heutigen. Seit Anbeginn der Zeit waren die alten Tage immer die besseren.«
    Nachdem die Diener ein gewaltiges Fass Bier mit zwei Trinkhalmen gebracht hatten, berichtete Avram ausführlich von seiner langen abenteuerlichen Reise, verschwieg dabei aber den Grund für seine Flucht.
    »Und was ist das?«, fragte Hadadezer, der die Hündin erst jetzt bemerkt hatte. Sie lag, den Kopf auf den Pfoten, zu Avrams Füßen zusammengerollt. »Sie ist mein treuer Gefährte.«
    »Du reist mit einem Wolf? Und ich habe geglaubt, mir sei nichts mehr fremd! Wie ist die Welt so?«, wollte er nach einem kräftigen Schluck Bier wissen.
    »So verschieden wie die Völker. Es gibt Menschen, die wie Bären leben, andere wohnen auf Eis oder kriechen auf dem Bauch in Höhlen und malen Bilder von den Tieren, die sie erlegt haben.«
    »Und Städte? Hast du Städte gesehen?«
    »Nur diese hier und die Stätte der Ewigen Quelle.« Seine Worte stockten. Jetzt saß er hier in Gesellschaft eines Menschen, den er aus der Vergangenheit kannte und mit dem er über seinen Geburtsort sprechen konnte. Tränen stiegen ihm in die Augen. Vielleicht sah Hadadezer den Tränenschimmer, denn er sagte behutsam: »Wir haben uns alle gefragt, wohin du verschwunden bist. Die meisten dachten, du wärst tot. Bist du weggerannt, weil Yubal tot war? Ja, das dachte ich mir. Du warst jung und unerfahren. Das ist verständlich. Nach Yubals Tod und deinem plötzlichen Verschwinden wurde jedem klar, dass dieses Familienbündnis ein großer Fehler gewesen war. Ganz eindeutig lag der Fluch von Talitha und Serophia darauf.«
    Gewaltige Platten mit Essen wurden aufgetragen: gefülltes Geflügel, in Öl gebratenes Gemüse, Fladenbrot, winzige Schalen mit Salz und ein grässliches Gebräu namens Joghurt.
    »Ja, Yubals Tod muss ein Schock für dich gewesen sein, du armer Kerl«, fuhr

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