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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Aristokratie galten jedoch andere Maßstäbe, und wenn eine Frau Ehebruch beging, wurde das nicht nur als Verrat an ihrem Gatten erachtet, sondern auch an ihrer gesellschaftlichen Klasse. Wie Lucilla, die schöne Witwe eines berühmten Senators, ihr einst schnippisch zu verstehen gab, war nicht der Ehebruch an sich eine Schande, sondern sich dabei erwischen zu lassen. Amelia hatte sich dumm angestellt, und das wollten die römischen Herrschaften ihr nicht verzeihen. »Hütet Euch vor der Zahl Vier, Gebieterin«, krächzte der Astrologe, der von seinen Berechnungen der Transite aufsah. Amelia blickte in den Spiegel. Sie hatte sich Reispuder auf die dunklen Augenringe getupft, denn im Schlaf war sie von Albträumen verfolgt worden, Szenarien von Gräbern und Sarkophagen und rachelüsternen toten Königinnen. »Die Zahl Vier?«, fragte sie. »Das ist heute Eure Unglückszahl«, erklärte der alte Mann, der Amelia jeden Morgen das Horoskop stellte. »Sie muss auf jeden Fall vermieden werden.«
    Amelia starrte ihr Spiegelbild an. Wie sollte sie eine so wichtige Zahl vermeiden? Das Universum bestand aus den großen Vier: den vier Elementen, den vier Winden, den vier Mondphasen. Und erst die Menschen: vier Gliedmaße, vier Herzkammern; vier Leidenschaften.
    Die Sklavinnen, die ihr Haar frisierten, gingen ihrer Arbeit gewissenhaft nach, weil sie ihre Herrin mochten. Amelia war viel gütiger als manche Damen ihres Standes und stach die Mädchen nicht mit Haarnadeln, wenn sie Fehler machten. Heute Morgen wurden Amelias lange Locken, die mit Henna getönt waren, um die grauen Strähnen zu übertönen, wie eine Tiara aufgetürmt. Für die Gattin des Hauses Vitellius war perfektes Aussehen die höchste Pflicht. Sie trug Gewänder aus kostbaren Stoffen, perlenbesetzte Halsketten und Schmuck aus spanischem Silber und illyrischem Gold. Jede Fremde hätte sie beneidet.
    »Steht in deinen Karten auch etwas über einen Mann, der mich mit offenen Armen begrüßt?«, fragte sie den Astrologen. Der senile Wahrsager hob die buschigen weißen Augenbrauen. »Mit offenen Armen, Gebieterin?«
    »Ja, als ob er mich umarmen oder willkommen heißen wollte.«
    Er schüttelte den Kopf und sammelte seine Instrumente ein. »Nichts, Gebieterin«, murmelte er und ging.
    Sie nagte an ihrer Lippe. Der Vogeldeuter auf ihrem Landsitz hatte sich noch nie geirrt. Seine Vorhersagen traten mit untrüglicher Sicherheit ein. Unglücklicherweise hatte der Deuter der Auspizien den Haushalt nicht in die Stadt zurückbegleitet. Amelia fröstelte –
    nicht vor Kälte, sondern vor Angst. Die Halskette. Selbst in der Schatulle verwahrt, flößte sie ihr Angst ein. Der blaue Kristall ließ sie an den Tod denken. Er trug die Farbe der Grausamkeit und Unversöhnlichkeit. Der Stein kannte keine Gnade, ebenso wenig wie sein Spender. Erfreulich für das Auge, aber hart und kalt mit einem verschlossenen Herzen, wie Cornelius selbst. Sie dachte nach über seine Macht und die Macht der Männer im Allgemeinen. Welche Macht besaßen Frauen überhaupt? Amelias Vater und Brüder hatten streng über ihre Unschuld und damit über ihre Sexualität gewacht.
    Bei ihrer Heirat war sie ihrem Gatten von ihrem Vater »übergeben«
    worden. Nicht ein einziges Mal in ihrem Leben hatte sie über sich selbst bestimmt.
    Sie fröstelte wieder vor Furcht, was sie in ihrem Spiegelbild entdecken würde – ob der Geist der toten Königin hinter ihr lauerte.
    Diese schreckliche Halskette! Es war, als ob Cornelius ein Gespenst in ihr Haus gebracht hätte. Wenn sie nur beten könnte. Wie sie ihre Freundin Rahel beneidete, so gläubig, so aktiv in ihrer Gemeinschaft, ihrer Sache so sicher. Rahel wusste um Amelias Glaubensverlust und hatte auf einfühlsame Weise versucht, der Freundin den Judaismus nahe zu bringen. Doch Raheis Religion hatte Amelia nur verwirrt und bestürzt. Wenn hundert römische Gottheiten ihren Glauben nicht erwecken konnten, wie dann nur einer? Da fiel Amelia ein, dass sie heute zu ihrer Freundin eingeladen war, und das an einem Tag, an dem sie Rahel normalerweise nicht besucht hätte, denn es war ihr Feiertag, den sie Sabbat nannte. Umso erstaunlicher, dass es die Einladung zu einem Essen war. Nach dem rabbinischen Gesetz durften Juden keine Mahlzeit mit Nichtjuden teilen, und in all den Jahren ihrer Freundschaft hatte sie mit Rahel noch nie das Brot gebrochen. Sie freute sich auf diesen Abend, bedachte jedoch, dass Cornelius ihre Freude nicht merken durfte, damit er sie nicht mit

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