Kristin Lavranstochter 2
selbst, daß der Arm ihm vielleicht doch ein wenig beschwerlich werden könnte. Es tobte bis hinauf in die Achselhöhle, die Stöße des Pferdes verursachten ihm starke Schmerzen - das Blut pochte und pochte in dem kranken Glied. Und es pochte in seinem Kopf und schmerzte vom Nacken bis zum Scheitel.
Hitze und Kälte wechselten in ihm, bald fror er, bald war ihm zu heiß.
Der Winterweg führte hier hoch am Hang entlang, streckenweise durch Wald und streckenweise über weiße Äcker. Simon sah dies alles - leuchtend segelte der Vollmond an dem blaßblauen Himmel dahin, er hatte alle Sterne weit von sich weggescheucht, nur der eine oder andere große Stern wagte es, weit draußen am Himmel dahinzuwandeln. Es glitzerte und blitzte auf dem weißen Land; die Schatten fielen kurz und scharf auf den Schnee. Drinnen im Wald lag das Licht unsicher in Tropfen und Streifen zwischen den schneebeschwerten Tannen. Simon sah dies alles ...
Gleichzeitig aber sah er völlig deutlich eine Wiese voller Buckel mit aschbraunem Gras in zeitiger Frühjahrssonne. Da und dort hatten sich ein paar kleine Tannen ins freie Land hinausgewagt, sie leuchteten in der Sonne grün wie Samt. Er kannte die Gegend, es war die Viehweide daheim bei Dyfrin. Der Erlenwald hinter der Wiese stand mit frühjahrlich graubraunen Stämmen da, und die Kronen waren braun von Knospen - dahinter zogen sich die langen niedrigen Höhenrücken von Raumarike schimmernd blau hin, noch weißgefleckt vom Schnee. Sie gingen zum Erlengebüsch hinunter, Simon Reidarssohn und er, trugen Fischgeräte und Hechtspeere - sie wollten an den See, der dunkelgrau mit morschem Frühjahrseis dalag, und dort fischen. - Sein toter Vetter ging ihm zur Seite; Simon sah das krause Haar des Spielgenossen, das unter der Mütze hervorquoll, rötlich in der Frühjahrssonne leuchten, konnte jede Sommersprosse im Gesicht des Knaben unterscheiden. Der andere Simon schob die Unterlippe vor und prustete - puh, puh -, wenn er fand, daß der Freund Unsinn schwatze. Sie hüpften über Wasserrinnen, sprangen von einem Grasbuckel zum anderen über das sickernde Schneewasser auf der Wiese. Der Boden war mit Moos bedeckt - es wogte und brauste so freundlich grün unter dem Wasser.
Obwohl ihm alles bewußt war - er sah die ganze Zeit den Reitweg bergauf und bergab durch den Wald, blickte über weiße Äcker im glitzernden Mondschein hin, sah die schlafenden Häuser unter verschneiten Dächern Schatten auf den Boden werfen, erkannte den Nebelstreifen über dem Fluß im Talgrund und wußte, daß es Jon war, der dicht hinter ihm ritt und an seine Seite herankam, wenn sie auf offene Lichtun-gen gelangten so widerfuhr es ihm doch ein paarmal, daß er den Mann Simon nannte. Er wußte, daß dies falsch war, aber er konnte es nicht sein lassen, obgleich er bemerkte, wie seine Knechte erschraken.
„Wir müssen versuchen, heute nacht noch bis zu den Mönchen auf Roaldstad zu gelangen, Burschen“, sagte er, als seine Gedanken einmal klar wurden.
Die Knechte redeten ihm zu - sie müßten doch weit eher versuchen, so bald wie möglich unter Dach zu kommen, sie sprachen von dem nächstgelegenen Pfarrhof. Aber ihr Herr bestand auf seinem Vorsatz.
„Es wird anstrengend für die Pferde, Simon.“ Die beiden Knechte schielten einander an.
Aber Simon lachte ein wenig. Sie müßten es eben dies eine Mal erzwingen.
Er dachte an die mühseligen Meilen. Der Schmerz jagte durch seinen ganzen Körper, wenn er im Sattel gestoßen wurde, heim aber wollte er. Denn jetzt wußte er, daß er vom Tode gezeichnet war.
Obgleich er in der Winternacht bis ins Herz hinein fror und dann wieder von brennender Hitze durchwogt wurde, fühlte er doch gleichzeitig die laue Frühjahrssonne auf der Weide daheim und sah den toten Knaben und sich selbst auf das Erlengebüsch zugehen.
Für kurze Augenblicke wichen die Trugbilder von ihm, und der Kopf wurde klar, nur schmerzte er entsetzlich. Simon bat einen der Knechte, ihm den Ärmel des kranken Armes aufzuschneiden. Er erbleichte, und der Schweiß rann ihm über das Gesicht, als Jon Daalk ihm behutsam den Hemdärmel vom Handgelenk zur Schulter hinaufstreifte, während er selbst das geschwollene Glied mit der linken Hand stützte. Für eine Weile fand er Erleichterung.
Die Männer sagten ganz offen, man müsse wohl von Roaldstad einen Boten nach Dyfrin senden. Simon aber kam mit Einwänden. Er wolle seine Frau nicht mit einer solchen Botschaft beunruhigen, wenn es vielleicht gar nicht
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