Kristin Lavranstochter 2
leerte die zerriebene Masse aus der Schale in den Topf und stellte ihn ans Feuer. Welch eine stille und ruhige Art sie doch hatte ...
Jetzt kam sie mit dem Becher in der Hand an sein Bett. Mit leichtem Schritt ging sie dahin. Sie war ebenso rank und schön wie seinerzeit als Mädchen, diese schlanke Hausfrau mit dem hageren, ernsten Gesicht unter dem linnenen Kopftuch. Jetzt fühlte Simon, daß auch sein Nacken geschwollen war. Es schmerzte, als sie ihren Arm unter seinen Kopf schob und ihn ein wenig aufstützte. Sie lehnte seinen Kopf an ihre Brust, während sie ihm mit der linken Hand den Becher an den Mund hielt.
Simon lächelte ein wenig, und als sie behutsam seinen Kopf wieder in die Kissen zurückgleiten ließ, umfaßte er mit seiner gesunden Hand die ihre. Sie war weder weich noch weiß, jetzt nicht mehr, diese feine länglichschmale Frauenhand.
„Mit diesen Fingern kannst du jetzt wohl nicht gut Seide nähen“, sagte Simon. „Aber gut und leicht sind sie - und angenehm kühl ist deine Hand, Kristin!“ Er legte sie auf seine Stirn. Kristin blieb so stehen, bis sie fühlte, daß ihre Handfläche warm wurde, da wechselte sie und drückte ihre andere Hand leicht gegen seine brennendheiße Stirn bis dicht unter den Haaransatz hinauf.
„Dein Arm sieht schlimm aus, Simon“, sagte sie. „Aber mit Gottes Hilfe wird es wohl gut werden.“
„Ich fürchte, Kristin, mich kannst du nicht heilen, so tüchtig du auch sonst in dieser Kunst bist“, antwortete Simon. Aber seine Miene war beinahe heiter. Der Trank begann zu wirken; er fühlte die Schmerzen viel weniger stark. Aber mit seinen Augen ging etwas Seltsames vor - als habe er sie nicht mehr in der Gewalt, er glaubte, daß er daliege und mit jedem Auge nach einer anderen Seite schiele.
„Mit mir geht es wohl so, wie es bestimmt ist“, sagte er wie zuvor.
Kristin ging zu ihren Töpfen zurück, strich eine breiige Masse auf Leinenlappen auf, kam zurück und legte die heißen Binden um den Arm, von den Fingerspitzen bis hinten zum Rücken und vorne über die Brust, wo die Geschwulst in roten Streifen von der Achselhöhle ausstrahlte. Zunächst tat es weh, bald aber brachte es Linderung. Darüber band sie wollene Decken und legte dann weiche Kissen unter den Arm. Simon fragte, was sie auf die Binden aufgetragen habe.
„Ach, allerlei - hauptsächlich Symphytikawurzeln und Schwaibenblüte“, sagte Kristin. „Wenn es nur Sommer wäre, dann hätte ich sie frisch aus meinem Wurzgarten daheim nehmen können. Aber ich hatte genügend Vorrat - Gott sei Dank ich brauchte den ganzen Winter nichts davon.“
„Was hast du doch einmal von der Schwaibenblüte erzählt? Es war eine Geschichte, die du von der Äbtissin gehört hattest, als du im Kloster warst - etwas über den Namen ...“
„Meinst du das, daß diese Pflanze in allen Sprachen einen Namen hat, der ähnlich wie Schwaibenblüte lautet - von weit drunten am griechischen Meer bis herauf in unsere nordischen Länder?“
„Ja - denn in allen Ländern springt ihre Blüte auf, wenn die Schwalben aus dem Winterschlaf erwachen!“ Simon schloß die Lippen ein wenig fester. Bis dahin lag er längst unter der Erde... „Ich will mein Grab bei der Kirche haben“, sagte er, „wenn es dahin kommt, daß ich jetzt sterbe, Kristin. Ich bin nun so reich, daß Andres wahrscheinlich einmal ziemlich viel Macht hier auf Formo besitzen wird. Ob es wohl ein Sohn wird, das Kind, das Ramborg nach meinem Tod in diesem Frühjahr bekommen soll? Ich hätte gerne noch so lange gelebt, daß ich zwei Söhne auf meinem Hof gesehen hätte ...“
Kristin sagte, sie habe eine Botschaft nach Dyfrin gesandt und sagen lassen, daß er sehr krank geworden sei. Gaute - er sei bereits heute morgen weggeritten.
„Du hast doch wohl das Kind nicht allein wegreiten lassen?“ fragte Simon erschrocken.
Sie habe niemand gehabt, der mit Gaute auf dem Fuchs hätte Schritt halten können, gab sie zur Antwort. Simon sagte, es würde wohl eine schwere Reise für Ramborg sein - wenn sie sich bloß nicht mehr beeilte, als ihre Kraft es zuließe.
„Aber meine Kinder würde ich schon gerne sehen ...“
Eine Weile später begann er wiederum von seinen Kindern zu sprechen. Er nannte Arngjerd - ob es unrichtig von ihm gewesen sei, dieses Angebot von den Leuten auf Eiken nicht anzunehmen? Aber der Mann sei ihm reichlich alt vorgekommen - und er hätte auch andere Bedenken gehabt, da Grunde ja ziemlich gewalttätig sein solle, wenn er betrunken sei.
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