Kristin Lavranstochter 2
Arngjerd, ihr hätte er die sichersten Verhältnisse schaffen wollen. Nun waren es Gyrd und Gudmund, die über ihre Heirat zu bestimmen hatten. „Sage meinen Brüdern, Kristin - ich ließe sie grüßen, sie sollen sich diese Sache wohl überlegen. Willst du sie eine Weile zu dir auf Jörundhof nehmen, so will ich dir dafür noch im Grabe danken. Und sollte Ramborg sich wieder verheiraten, ehe für Arngjerd gesorgt ist, so mußt du das Kind zu dir nehmen, Kristin, du darfst aber ja nicht glauben, daß Ramborg nicht immer freundlich zu ihr gewesen wäre - doch sollte sie nicht nur eine Stiefmutter, sondern auch einen Stiefvater bekommen, so fürchte ich, man könnte sie mehr für eine
Magd ansehen als für . . . Du erinnerst dich, ich war mit Halfrid verheiratet, als ich ihr Vater wurde.“
Sanft legte Kristin ihre Hand auf die Simons und versprach, nach besten Kräften alles für das Mädchen zu tun. Sie erinnerte sich an alles, was sie im Leben gesehen hatte - schwierig war die Stellung jener Kinder, die einen vornehmen Mann zum Vater hatten und im Ehebruch gezeugt worden waren. Orm und Margret, Ulv Haldorssohn ... Immer und immer wieder streichelte sie Simons Hand.
„Schließlich ist es ja durchaus nicht gewiß, daß du dieses Mal sterben mußt, Schwager“, sagte sie und lächelte leise. Immer noch konnte es wie ein Widerschein des süßen und sanften Lächelns aus früheren Zeiten über das magere, strenge Frauenantlitz huschen. Du süße junge Kristin . ..
An diesem Abend bekam Simon kein so starkes Fieber, und er sagte auch, daß er weniger Schmerzen fühle. Als Kristin den Verband wechselte, war der Arm nicht so geschwollen; das Fleisch war weicher; wenn sie die Finger vorsichtig ins Fleisch drückte, blieben die Eindrücke länger zu sehen.
Kristin sandte das Gesinde zu Bett. Jon Daalk, der unbedingt bei seinem Herrn wachen wollte, durfte sich auf die Bank drüben legen. Die Truhe mit der geschnitzten Rückenlehne ließ sie sich ans Bett heranrücken und saß nun dort, in die Ecke gedrückt. Simon schlummerte und schlief; als er einmal erwachte, sah er, daß sie eine Spindel in der Hand hielt. Sie saß aufrecht da, hatte den Dorn mit dem Wollschopf unter dem linken Arm, die Finger drehten den Faden, die Spindel sank neben ihrem langen, schlanken Schoß immer tiefer - dann wickelte sie den Faden auf, drehte wieder, die Spindel sank; er schlief vom Zuschauen ein ...
Als Simon wiederum erwachte, es war gegen Morgen, saß sie immer noch da und spann. Das Licht der Kerze, die sie so gestellt hatte, daß der Bettvorhang ihn beschattete, fiel auf ihr Gesicht. Es war so bleich und still; der volle weiche Mund war schmal geworden und fest geschlossen, sie saß mit niedergeschlagenen Augen da und spann. Kristin konnte nicht sehen, daß er wach lag und sie im Schatten seines Betthimmels anstarrte. Sie schien so tief betrübt zu sein, daß Simon zu fühlen glaubte, wie sein Herz in ihm blutete, während er so dalag und sie betrachtete.
Sie erhob sich, ging hinüber und machte sich am Feuer zu schaffen. Ganz lautlos. Als sie zurückkam, spähte sie hinter den Bettvorhang - begegnete seinen offenen Augen aus der Dunkelheit.
„Wie geht es dir jetzt, Simon?“ fragte sie weich.
„Gut - geht es mir jetzt.“
Aber er glaubte zu fühlen, daß er nun auch im linken Arm Schmerzen hatte - und bis unters Kinn hinauf, wenn er den Kopf bewegte. Ach nein, er glaubte dies wohl nur . . .
Ach, sie würde wohl niemals finden, daß sie etwas verloren habe, dadurch, daß sie seine Liebe verschmähte - insofern konnte er gern mit ihr darüber sprechen. Das konnte sie unmöglich schwermütig machen. Er wollte es ihr sagen, ehe er starb - ein einziges Mal: Ich habe dich in allen diesen Jahren geliebt. ..
Das Fieber nahm wieder zu. Er hatte wirklich Schmerzen im linken Arm.
„Du mußt versuchen, wieder zu schlafen, Simon, vielleicht geht es dir jetzt rasch besser“, meinte sie leise.
„Ich habe heute nacht viel geschlafen.“ Er begann wieder von seinen Kindern zu sprechen: von den dreien, die er besaß und die er so innig liebte - und von dem noch nicht Geborenen, dann schwieg er; die Schmerzen überfielen ihn wieder so stark. „Leg dich jetzt ein wenig hin, du, Kristin, Jon kann eine Weile bei mir sitzen, wenn du es für nötig hältst, daß jemand wacht.“
Am Morgen, als sie die Binde löste, blickte Simon ruhig in ihr verzweifeltes Gesicht auf.
„Ach, nein, Kristin, es war schon zuviel Gift und Schmutz im Arm —
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