Kristin Lavranstochter 2
ist.“ Sie sah, daß ihre Worte ihn sehr verdrossen, und so fügte sie hinzu: „Grüße Ramborg und sage ihr, ich werde zu ihr kommen und ihr helfen, wenn die Zeit inne ist - aber zum Weihnachtsgelage kann ich nicht kommen, Simon.“
Aber am achten Weihnachtstag traf sie Simon, als er ohne Ramborg zur Messe kam. Nein, es gehe ihr gut, sagte er, aber sie solle ruhen und Kraft sammeln, denn morgen fahre er mit ihr und den Kindern nach Dyfrin hinunter - die Schlittenbahn sei so gut, und da Gyrd sie eingeladen habe und Ramborg solche Lust zu der Fahrt zeige, so ...
4
Am Tag nach der Paalsmesse ritt Simon Darre über den Mjös-See, von zwei Knechten begleitet. Es war strenger Frost eingetreten, aber ihn dünkte, er könne nicht mehr länger von daheim wegbleiben. Das Schlittengefolge sollte nachkommen, sobald die Kälte ein wenig nachgelassen hätte.
In Hamar traf er einen Freund, Vigleik Paalssohn von Fagaberg, und sie ritten miteinander weiter. Als sie nach Klein-Hamar kamen, rasteten sie einige Zeit auf einem Hof, wo man Bier ausschenkte. Während sie so dasaßen und tranken, gerieten einige betrunkene Fellhändler in Streit und verprügelten sich in der Stube; schließlich stand Simon auf, griff ein und trennte sie, erhielt dabei jedoch einen Messerstich in den rechten Unterarm. Es war kaum mehr als ein Riß, so daß er dessen nicht achtete, aber die Wirtin wollte ihm die Wunde doch unbedingt verbinden.
1
(lat.) Kömmt, wir wollen wieder zum Herrn; denn Er hat uns zerissen. Er wird uns auch heilen; Er hat uns geschlagen, Er wird uns auch verbinden. Dann werden wir acht darauf haben und fleißig sein, daß wir den Herrn erkennen. (Hos. 6, 1 u. 3)
Er ritt mit Vigleik zu dessen Hof und brachte die Nacht bei ihm zu. Die Männer teilten das Bett miteinander, und gegen Morgen erwachte Simon davon, daß der andere sich im Schlaf sehr unruhig gebärdete. Wiederholt rief Vigleik nach Simon, und so weckte dieser ihn und fragte, was ihm denn fehle.
Vigleik konnte sich nicht genau auf den Traum besinnen. „Aber der war häßlich, und du warst mit dabei. An eines erinnere ich mich: Simon Reidarssohn stand hier in der Stube und befahl dir, mit ihm hinauszugehen - ich sah ihn so deutlich, daß ich jede Sommersprosse in seinem Gesicht hätte zählen können.“
„Ich wollte, du könntest mir diesen Traum verkaufen“, sagte Simon halb im Scherz und halb im Ernst. Simon Reidarssohn war der Sohn seines Oheims, und sie hatten in der Zeit ihres
Heranwachsens gute Freundschaft gehalten. Jener Simon war im Alter von dreizehn Jahren gestorben.
Als die Männer sich am Morgen zum Essen setzen wollten, sah Vigleik, daß Simon seinen Ärmel am rechten Handgelenk nicht zugeknöpft hatte. Die Haut war rot und der Arm bis zum Handrücken vor geschwollen. Vigleik sprach darüber, Simon aber lachte. Und als der Freund ihn ein wenig später bat, doch einige Tage hierzubleiben, seine Frau hier abzuwarten -Vigleik konnte diesen Traum nicht vergessen -, antwortete Simon Andressohn beinahe böse:
„So Schlechtes hast du doch wohl nicht von mir geträumt, Vigleik, daß ich mich wegen eines Lausbisses ins Bett legen sollte!“
Um die Zeit des Sonnenuntergangs ritt Simon mit seinen Leuten zum Losna-See hinunter. Es war der schönste Tag gewesen. Jetzt färbten sich die hohen, braunen und weißen Berge golden und rot im Abendlicht, aber die reifbeschwerten Haine am Fluß standen zottig grau im Schatten da. Die Männer besaßen ausgezeichnete Pferde und hatten einen frischen Ritt über den langen See vor sich; klingend und klirrend sprangen kleine Eissplitter unter den Pferdehufen ab. Ein starker Luftzug stand ihnen entgegen, Simon fror - gleich darauf aber durchströmten ihn trotz der Kälte seltsam erstickende Hitzewellen - dann wieder Frostschauer, die ihm bis ins Rückenmark zu dringen schienen. Von Zeit zu Zeit fühlte er, wie die Zunge anschwoll und hinten im Rachen seltsam dick wurde. Noch ehe sie den See ganz überquert hatten, mußte er haltmachen und einen der Knechte bitten, ihm den Umhang so zu befestigen, daß er den rechten Arm stützte.
Die Männer hatten Vigleik Paalssohn von seinem Traum sprechen hören; jetzt wollten sie, daß ihnen ihr Herr die Wunde zeige. Aber Simon sagte, es sei nicht der Rede wert. Sie brenne ein wenig. „Vielleicht muß ich mich damit abfinden, ein paar Tage Linkshänder zu sein.“
Aber gegen Abend, der Mond war heraufgestiegen, und sie ritten auf der Höhe nördlich des Sees dahin, begriff Simon
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