Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
Vom Netzwerk:
seinen Platz an der Wand, und die Mutter deckte ihn zu. Kristin zündete ein Licht an, nahm die Kleider der Söhne, die zu flicken waren, und setzte sich zum Nähen zurecht.
    Sie zog die Schließe vorne aus dem Kleid, befühlte mit der Hand ihre Brüste, sie waren rund und fest wie die eines blutjungen Weibes. Sie schob den Ärmel bis an die Schulter hinauf und betrachtete ihren nackten Arm beim Licht. Er war weißer geworden, voller. Dann stand sie auf und ging auf und ab, fühlte, wie weich sie in den weichen Hausschuhen ging, strich an ihren schlanken Hüften hinab: sie waren nicht mehr hart und trocken wie die eines Mannes. Das Blut strömte durch ihren Körper, wie der Saft im Frühjahr in den Bäumen aufsteigt. Das war die Jugend, die in ihr wuchs.
    Sie ging mit Frida ins Brauhaus und goß warmes Wasser auf das Korn, das zum Weihnachtsmalz bestimmt war. Frida hatte vergessen, zur rechten Zeit nachzusehen, und so war es ganz trocken geworden, aber Kristin schalt das Mädchen nicht - mit einem halben Lächeln hörte sie zu, wie die andere sich entschuldigte. Es war Kristin zum erstenmal widerfahren, daß sie vergessen hatte, selbst danach zu sehen.
    Zu Weihnachten würde sie Erlend bei sich daheim haben. Wenn sie ihm diese Botschaft sandte, mußte er doch sofort zu ihr herunterkommen. So verrückt war der Mann doch nicht, daß er jetzt nicht nachgeben würde - er mußte begreifen, daß sie unmöglich nach Haugen hinaufziehen konnte, weit weg von allen Menschen, jetzt, da sie nicht mehr allein war. Aber sie wollte noch eine Weile warten, bevor sie ihm diese Botschaft sandte, obgleich sie schon ganz sicher war - vielleicht bis sie das Leben in sich gespürt hatte. - Im zweiten Herbst, den sie auf Jörundhof verbrachte, hatte sie aus dem Weg fahren müssen, wie die Leute sagten. Damals hatte sie sich ziemlich rasch getröstet. Daß es dieses Mal so gehen würde, befürchtete sie nicht - das war unmöglich. Trotzdem ...
    Sie hatte ein Gefühl, als müsse sie ihr ganzes Wesen schirmend über dieses winzige zarte Leben beugen, das sie unter dem Herzen trug - so wie man die Hand schützend um eine kleine, soeben angezündete Flamme hält.
    Eines Tages im Spätherbst kamen Ivar und Skule und sagten, sie wollten zum Vater hinaufreiten - es sei so schön im Gebirge. Sie wollten ihn bitten, sie jetzt in der Zeit des Frostes mit auf die Jagd zu nehmen.
    Naakkve und Björgulv saßen beim Schachbrett; sie hielten im Spiel inne und horchten auf.
    „Ich weiß nicht“, sagte Kristin, sie hatte bis jetzt noch nicht darüber nachgedacht, wen sie mit der Botschaft senden sollte. Sie betrachtete die beiden halberwachsenen Söhne. Es schien ihr selbst dumm, aber trotzdem konnte sie sich nicht entschließen, es ihnen zu sagen. Sie konnte sagen, daß sie Lavrans mitnehmen sollten, und konnte ihn bitten, mit dem Vater unter vier Augen zu sprechen. Er war so jung, er würde sich nicht wundern. Trotzdem ...
    „Euer Vater kommt ja bald hierher“, sagte sie. „Schließlich haltet ihr ihn nur auf. Im übrigen muß ich selbst ihm bald eine Nachricht senden.“
    Die Zwillinge waren verdrossen. Da sah Naakkve vom Brettspiel auf und sagte kurz:
    „Tut, wie unsere Mutter sagt, Buben.“
    Kurz vor Weihnachten sandte sie dann Naakkve zu Erlend hinauf. „Du mußt ihm sagen, mein Sohn, daß ich jetzt anfange, mich sehr nach ihm zu sehnen - und das tut ihr wohl alle!“ Sie sagte nichts von dem Neuen, was hinzugekommen war - es schien ihr nicht unwahrscheinlich, daß der erwachsene Bursche es schon begriffen hatte. So sollte er selbst entscheiden, ob er dem Vater gegenüber davon sprechen wollte.
    Naakkve kam zurück, ohne seinen Vater getroffen zu haben. Erlend sei ins Raumstal hinübergeritten, er habe Nachricht bekommen, daß seine Tochter und ihr Mann jetzt nach Björgvin zögen und daß Margret gern mit ihrem Vater auf Veöy Zusammentreffen wolle.
    Das war begreiflich. Kristin lag in den Nächten wach - streichelte von Zeit zu Zeit das Gesicht des kleinen Munan, der neben ihr schlief. Sie war traurig darüber, daß Erlend zu Weihnachten nicht kam. Aber es war verständlich, daß er seine Tochter sehen wollte, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Immer wieder wischte sie die Tränen weg, die ihr über die Wangen rollten. Wiederum geriet sie so leicht ins Weinen wie seinerzeit, als sie noch jung war.
    . Gleich nach Weihnachten starb Sira Eirik. Kristin war im Herbst ein paarmal bei ihm auf Romundhof gewesen, während er zu Bett lag, und sie

Weitere Kostenlose Bücher