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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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langsam auf das Wohnhaus zu. Schwer und müde ließ sie sich auf der Bank unter dem Fenster nieder, von dem die Frühjahrssonne bereits alles Eis weggetaut hatte.
    Es war so. Sie hatte darum gebettelt, in seinen Armen liegen zu dürfen - zuerst. Aber es war nicht schön von ihm, sie jetzt hieran zu erinnern. Sie fand es häßlich von Erlend, ihr diese Antwort durch ihre Söhne zu senden ...
    Das Frühlingswetter dauerte an. Eine Woche lang ging der Südwind, und es regnete - der Fluß schwoll an, wurde mächtig und brausend. Es rauschte und rann von allen Hängen herab, der Schnee stürzte in den Bergen in Lawinen ab. Dann kam wieder Sonnenschein.
    Kristin stand in dem graublauen Abend draußen hinter den Häusern. Im Gebüsch unten beim Acker zwitscherten laut die
    Vögel. Gaute und die Zwillinge waren auf die Alm hinaufgegangen - sie wollten den Birkhahn jagen. Man hörte das Kollern jeden Morgen von allen Hängen bis zum Hof herunter.
    Kristin drückte ihre Hand an die Brust. Jetzt hatte sie nur noch kurze Zeit vor sich - sie mußte es mit Geduld bis zu Ende tragen. Sicher war es oft schwierig und unangenehm, mit ihr zusammen zu leben ... Unvernünftig war sie in ihrer Sorge um die Kinder - langweilig, wie Erlend gesagt hatte. Dennoch dünkte es sie, daß er jetzt hart sei. Aber nun war die Zeit bald da, wo er zu ihr kommen mußte - das wußte er ja auch.
    Sonnenschein und Regenschauer lösten einander ab. Eines Nachmittags riefen die Söhne nach ihr. Sie standen alle sieben samt dem Gesinde draußen auf dem Hofplatz. Quer über das Tal spannten sich drei Regenbogen, der erste stützte sich auf die Häuser von Formo, er war ganz hell und leuchtend in den Farben, die beiden äußeren waren schwächer und nach oben zu verwischt.
    Noch während sie dastanden und dies seltsam schöne Zeichen betrachteten, wurde die Luft grau und dunkel. Vom Süden kam ein Schneesturm einhergefegt. Es schneite so sehr, daß die ganze Welt in kurzer Zeit weiß war.
    Kristin saß am Abend da und erzählte Munan die Geschichte von König Snjo und seiner schönen schneeweißen Tochter, Mjöll hieß sie, und von König Harald Luva, der bei dem Dovreriesen im Berg drinnen nördlich von Dovre aufgezogen wurde. Sie dachte mit Kummer und Reue daran, daß schon Jahr und Tag vergangen waren, seit sie so dagesessen und ihren Kindern Geschichten erzählt hatte - es war schade um Lavrans und Munan, daß sie sich nicht mehr in dieser Weise mit ihnen abgegeben hatte. Und jetzt waren sie bald große Knaben. Als die anderen klein waren, daheim auf Husaby, hatte sie ihnen abends Märchen erzählt - so oft, so oft.
    Sie sah, daß die erwachsenen Söhne dasaßen und zuhörten -da wurde sie flammend rot und wußte nicht mehr weiter. Munan bat sie, noch mehr zu erzählen. Naakkve stand auf, rückte näher heran.
    „Erinnert Ihr Euch, Mutter, an die Geschichte von Torstein Uksafot und der Trolle im Hochlandwald - erzählt uns doch die!“
    Eine Erinnerung kam ihr beim Sprechen: Sie saßen da und rasteten in dem Birkenhain unten beim Fluß und aßen etwas, ihr Vater und seine Ernteleute, Männer und Frauen. Der Vater lag auf dem Bauch; sie saß ihm rittlings auf dem Rücken und schlug ihm ihre Fersen in die Lenden - es war ein heißer Tag, und man hatte ihr deshalb erlaubt, barfuß zu gehen, wie die erwachsenen Frauen es taten. Der Vater zählte gerade den Stammbaum der Hochlandtrolle auf: Jernskjold hatte Skoldvor, ihre Töchter waren Skjoldis und Skjoldgjerd, die von Torstein Uksafot erschlagen wurden. Skjoldgjerd war mit Skjoldketil verheiratet gewesen, ihre Söhne hießen Skjoldbjörn und Skjoldhedin und Valskjold, der Skjoldskjessa besaß, die zeugten Skjoldulv und Skjoldorm; Skjoldulv bekam Skjoldkatla, zeugte mit ihr Skjold und Skjoldketil...
    Nein, den Namen habe er schon einmal gesagt, rief Kolbjörn lachend, denn Lavrans hatte damit geprahlt, daß er sie zwei Dutzend Trollnamen lehren wolle, aber er hatte noch nicht einmal das erste Dutzend vollenden können; auch Lavrans lachte. „Jaja, ihr begreift aber doch, auch die Trolle nehmen die Namen ihrer Vorfahren wieder auf!“ Aber seine Leute wollten nicht nachgeben; sie verurteilten ihn dazu, ihnen eine Runde Met zu stiften. Ja, die sollten sie auch haben, sagte der Hausvater - abends, wenn sie heimkämen. Aber die Leute wollten sie sofort haben - und so wurde denn schließlich Tordis heimgesandt, um den Met zu holen.
    Sie stellten sich in einem Kreis auf und ließen das große Horn herumwandern.

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