Kristin Lavranstochter 2
wohnte seinem Leichenbegängnis bei. Im übrigen kam sie jetzt nie mehr unter die Leute. Es dünkte sie ein großer Verlust, daß ihr alter Kirchspielpfarrer nicht mehr lebte.
Bei dem Leichenbegängnis hörte sie, daß einige Leute Erlend auf Lesja getroffen hatten; er war da auf dem Heimweg nach Haugen gewesen. So kam er wohl bald.
An den darauffolgenden Tagen saß sie auf der Bank unter dem kleinen Fenster, hauchte ihren Handspiegel an, den sie hervorgesucht hatte, rieb ihn blank und betrachtete forschend ihr Gesicht.
Sie war in den letzten Jahren sonnverbrannt gewesen wie ein Bauernweib, aber davon war nun jede Spur verschwunden. Ihre Haut schimmerte jetzt weiß, mit runden hellroten Rosen auf den Wangen, wie ein gemaltes Bild. So schön war sie seit ihrer Mädchenzeit nicht mehr gewesen. Kristin saß da und hielt vor erstauntem Glück den Atem an.
So würden sie denn schließlich die Tochter bekommen, die Erlend sich so sehr gewünscht hatte - wenn es so eintraf, wie die weisen Frauen sagten. Magnhild. Diesmal mußten sie mit dem Brauch brechen und den Namen seiner Mutter zuerst nehmen.
Es schwebte ihr wie ein Märchen vor, das sie einmal gehört hatte. Sieben Söhne, die friedlos um einer ungeborenen kleinen Schwester willen in die weite Wildnis gejagt worden waren. Dann lachte sie sich selber aus - wie sie auf solche Gedanken verfallen konnte, begriff sie nicht.
Sie nahm aus ihrem Nähstuhl das Hemd aus feinstem weißem Linnen, an dem sie nur nähte, wenn sie allein war. Sie zog Fäden aus und nähte Vögel und Tiere auf durchsichtigen Gittergrund - Jahr und Tag waren schon vergangen, seit sie so feine Arbeiten gemacht hatte. - Ach, wenn doch Erlend jetzt käme -solange sie nur schön war durch diesen Zustand, jung und schlank, blühend und üppig...
Gleich nach der Gregorsmesse wurde das Wetter sehr schön, ganz frühjahrlich. Der Schnee taute und schimmerte wie Silber; an den Sonnenhängen waren schon lauter braune Flecken, und die Berge stiegen in blauen Nebel empor.
Gaute stand eines Tages draußen auf dem Hofplatz und machte sich an einem Schlitten zu schaffen, an dem etwas zerbrochen war. Naakkve lehnte an der Wand des Holzschuppens und sah der Arbeit seines Bruders zu. Da kam Kristin vom Küchenhaus her, hielt in beiden Armen einen großen Trog mit frisch gebackenem Weizenbrot.
Gaute sah der Mutter nach. Dann legte er Axt und Bohrer auf den Schlitten, lief ihr nach und nahm ihr den Trog ab. Er trug ihn zum Vorratshaus. Kristin war stehengeblieben, mit roten Wangen. Als Gaute zurückkam, trat sie zu den Söhnen hin.
„Ich meine, ihr müßt jetzt in den nächsten Tagen zum Vater hinaufreiten - ihm sagen, es sei jetzt sehr nötig, daß er käme und mir die Aufsicht über den Hof abnähme. Ich tauge jetzt nicht viel - und es wird gerade mit der Frühjahrsarbeit Zusammentreffen, daß ich im Haus bleiben muß ...“
Die jungen Burschen hörten ihr zu; auch sie erröteten, aber Kristin sah, daß sie von Herzen erfreut waren. Naakkve sagte, erzwungen gleichgültig:
„Wir können ja gerne heute reiten - gegen Nachmittag was meinst du, Bruder?“
Schon um die Mittagszeit des nächsten Tages hörte Kristin die Reiter draußen auf dem Hofplatz ankommen. Sie ging hinaus -es waren Naakkve und Gaute allein. Sie standen bei ihren Pferden, blickten zu Boden und sagten nichts.
„Was gab euch euer Vater zur Antwort?“ fragte die Mutter.
Gaute stand da und stützte sich auf seinen Speer, er blickte auch weiterhin zu Boden. Da sagte Naakkve:
„Vater bat uns, dir zu sagen, er habe dich den ganzen Winter hindurch an jedem Tag erwartet. Und er sagte, du solltest ihm nicht weniger willkommen sein als das letztemal, da du ihn sahst.“
In Kristins Gesicht kam und ging die Farbe.
„Habt ihr euerm Vater nicht gesagt, wie es um mich steht - daß nicht mehr viel Zeit vergehen wird, bis ich wiederum ein Kind habe?“
Gaute antwortete, ohne aufzublicken:
„Vater schien nicht zu meinen, daß dies ein Grund sei, nicht zu ihm nach Haugen zu ziehen.“
Kristin stand eine Weile da.
,Was sagte er?“ fragte sie leise und scharf.
Naakkve wollte sprechen. Gaute aber hob die Hand ein wenig, sah den Bruder rasch und flehend an. Aber der Älteste sagte es trotzdem:
„Vater hieß uns dir sagen: Als dieses Kind gezeugt wurde, hättest du doch gewußt, welch reicher Mann er sei. Und sei er seitdem nicht reicher geworden, so sei er doch auch nicht ärmer geworden.“
Kristin wandte sich von den Söhnen ab und ging
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