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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Dann nahmen sie Sensen und Rechen und gingen wieder an die Arbeit. Kristin wurde mit dem leeren Horn heimgesandt. Sie trug es mit beiden Händen vor sich her, während sie barfuß im Sonnenschein den grünen Pfad zum Hof hinauflief. Von Zeit zu Zeit, wenn sich am Grunde des Hornes ein Tropfen Met angesammelt hatte, blieb sie stehen, stülpte das Gefäß über ihr kleines Gesicht und leckte innen und außen an dem vergoldeten Rande, und auch von ihren Fingern leckte sie das Süße ab.
    Kristin Lavranstochter saß still da und blickte vor sich hin. Vater! Sie entsann sich eines Ausdrucks in seinem Gesicht, es war ein Erbleichen, wie der Waldhang erbleicht, wenn ein Windstoß das Laub an den Bäumen umwendet - entsann sich eines Klanges kalten und scharfen Spottes in seiner Stimme, eines Schimmers in seinen grauen Augen, wie wenn ein halbgezogenes Schwert aufblitzt. Einen Augenblick lang, dann verschwand es in munterem, gutgelauntem Scherz, als er noch jung war, aber immer häufiger und häufiger ein wenig schwermütig mild, je älter er wurde. Es hatte noch etwas anderes in dem Gemüt ihres Vaters gelebt als nur die tiefe zärtliche Süßigkeit. Mit den Jahren hatte sie es verstehen gelernt; die seltsame Milde ihres Vaters kam nicht daher, daß er die Fehler und die Erbärmlichkeit der Menschen nicht scharf genug sah, sondern daher, daß er stets in seinem eigenen Herzen vor Gott forschte und in Reue über eigene Mängel zerknirscht war.
    Nein, Vater, ich will nicht ungeduldig sein. Auch ich habe viel gegen meinen Mann gefehlt...
    Am Abend des Kreuzmessetages saß Kristin mit ihrem Gesinde bei Tisch und war wie immer. Als aber die Söhne ins Oberstockwerk gegangen waren, um sich schlafen zu legen, rief sie Ulv Haldorssohn leise zu sich heran. Sie bat ihn, zu Isrid hinunterzugehen und sie zu bitten, zu ihrer Herrin in die alte Webstube zu kommen.
    Ulv sagte:
    „Du mußt Ranveig auf Uldsvolden und Haldis, der Pfarrschwester, Botschaft zukommen lassen, Kristin; am geziemendsten wäre es, wenn du nach Astrid und Ingebjörg vom Loptshof senden würdest, damit sie die Oberaufsicht in der Stube übernehmen.“
    „Dazu ist keine Zeit mehr“, sagte Kristin. „Ich fühlte die ersten Wehen bereits am Nachmittag. Tue so, wie ich sage, Ulv -ich will nur meine eigenen Mägde und Isrid bei mir haben.“
    „Kristin“, sagte Ulv ernsthaft, „begreifst du denn nicht, es kann viel böses Gerede darüber aufkommen, wenn du dich heute nacht so verkriechst...“
    Kristin ließ den Arm auf den Tisch fallen. Sie schloß die Augen. „So mag denn reden, wer reden will! Ich ertrage, es nicht, heute nacht die fremden Frauen um mich zu sehen ...“
    Am nächsten Morgen saßen die größeren Söhne still beieinander und schwiegen, saßen da und blickten zu Boden, während Munan immer und immer wieder von dem kleinen Bruder redete, den er drinnen in der Webstube im Arm der Mutter gesehen hatte. Schließlich sagte Björgulv, jetzt brauche er nicht mehr davon zu reden.
    Kristin lag nur da und lauschte - es dünkte sie selbst, sie schlafe nie so fest, daß sie nicht stets gleichzeitig lausche und warte.
    Am achten Tag stand sie vom Bett auf, aber die Frauen, die um sie waren, merkten, daß es ihr nicht gut ging. Bald fror sie und bald hatte sie Hitzwellen; den einen Tag floß ihr die Milch aus den Brüsten, daß die Kleider naß wurden, den nächsten Tag konnte das Kind bei ihr nicht satt werden. Aber sie wollte sich nicht wieder legen. Das Kind ließ sie nicht aus den Armen - sie legte es nie in die Wiege, sondern hatte es des Nachts bei sich im Bett. Tagsüber ging sie umher und trug es, saß mit ihm an der Feuerstätte, saß mit ihm auf ihrem Bett, lauschte und wartete und starrte es an, obgleich sie manchmal weder zu hören noch zu sehen schien, daß es weinte. Dann war es gleichsam, als erwache sie - sie hob den Knaben auf, ging unermüdlich mit ihm auf und ab. Ihre Wange an die seine gelehnt, summte sie ihm ganz leise vor, setzte sich hin und legte ihn an die Brust, saß wiederum da und starrte vor sich hin wie zuvor, ihr Gesicht war wie versteinert.
    Als der Knabe ungefähr sechs Wochen alt war und die Mutter die Schwelle der Webstube noch nicht überschritten hatte, traten eines Tages Ulv Haldorssohn und Skule bei ihr ein. Sie waren zur Reise angezogen.
    „Ja, jetzt reiten wir nach Haugen hinauf, Kristin“, sagte Ulv, „diese Sache muß jetzt ein Ende nehmen.“
    Kristin saß stumm und steif da, den Knaben an der Brust. Zunächst

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