Kristin Lavranstochter 2
bei Erlend bleiben. Ich kann nicht weg ...
Als sie aber miteinander beim Morgenimbiß saßen, sprach sie doch davon, daß sie jetzt zu den Kindern heim müsse.
Sie dachte dabei an Lavrans und Munan. Die beiden waren jetzt so groß, daß die Scham in ihr aufstieg, wenn sie daran dachte, daß diese Söhne jetzt hier bei Erlend und ihr wohnen sollten und vielleicht mit erstaunten Augen ihre Eltern betrachten würden, die nun wieder so jung waren. Aber diese beiden konnten die Mutter nicht entbehren.
Erlend saß da und starrte sie an, als sie von ihrer Heimreise sprach. Schließlich lächelte er flüchtig.
„Ja - wenn du es durchaus so willst!“
Er wollte sie ein Stück weit des Wegs begleiten. Und er ritt mit ihr ganz durch die Rostschlucht hinunter bis nach Sil, bis sie ein Stück des Kirchturms über den Baumwipfeln sahen. Da nahm er Abschied. Er lächelte bis zuletzt unergründlich sicher.
„Ja, das weißt du nun, Kristin, ob du bei Nacht oder bei Tag kommst, ob ich kurze oder lange Zeit auf dich warten muß, ich werde dich so empfangen, als seist du die Königin des Himmels, die aus ihren Wolken zu meinem Hof herabgestiegen ist.“
Sie lachte.
„Ja, so großartig wage ich es nicht zu sagen. Aber du verstehst jetzt wohl, mein Freund, daß große Freude bei dir daheim herrschen wird, an dem Tag, da der Herr wieder zu seinem Besitztum zurückkehrt.“
Er schüttelte den Kopf und lachte ein wenig. Lächelnd nahmen sie voneinander Abschied. Lächelnd beugte Erlend sich zu ihr hinüber - ihre Pferde standen Seite an Seite -, küßte sie viele Male, und zwischen jedem Kuß sah er sie mit seinen lachenden Augen an.
„Nun wollen wir sehen“, sagte er schließlich, „wer von uns beiden am hartnäckigsten ist, meine holde Kristin, dies wird nicht das letztemal sein, daß wir uns wiederfinden - das wissen wir alle beide, du wie ich.“
Als Kristin an der Kirche vorüberritt, überlief sie ein ganz leiser Schauder. Es war, als kehre sie aus dem Inneren des Berges zurück, als sei Erlend der Bergkönig selbst und könne an der Kirche und dem Kreuz auf dem Hügel nicht vorübergelangen.
Sie zog die Zügel straffer an - hatte die größte Lust, umzukehren und ihm nachzureiten.
Dann blickte sie über die grünen Wiesen hin, sah ihren schönen Hof mit Wiesen und Äckern und den glänzenden Windungen des Flusses im Tale. Die Berge erhoben sich in blauem Gewimmel, der Himmel war voll geballter Sommerwolken. Es war Torheit! Dort bei ihren Söhnen war er daheim. Er war kein Bergkönig, sondern ein christlicher Mann, wenngleich er voll toller Launen und unverständiger Gedanken steckte. Ihr Gemahl, mit dem sie Gutes und Böses ertragen hatte - sie liebte, liebte ihn, sosehr er sie auch mit seinen unberechenbaren Einfällen gequält hatte. Sie mußte mit ihm aushalten; da sie nicht ohne ihn leben konnte, mußte sie sich Mühe geben und die Angst und die Unsicherheit ertragen, so gut sie vermochte. Sie glaubte nicht, daß es lange dauern würde, bis er ihr nachkäme - jetzt, nachdem sie wieder zusammen gewesen waren.
6
Den Söhnen sagte sie, der Vater habe auf Haugen noch verschiedenes zu ordnen, ehe er heimkäme. Man könne ihn wohl erst zu Anfang des Herbstes erwarten.
Sic ging daheim auf dem Hof umher, jung, mit rosigen Wangen, einen weichen und sanften Ausdruck im Gesicht, mit raschen Wendungen bei jeder Arbeit - aber sie brachte lange nicht so viel fertig wie sonst, da sie ihre gewohnte stille und abgemessene Art hatte. Sie wies die Söhne nicht scharf zurecht, wie es früher ihre Gewohnheit gewesen, wenn sie etwas falsch machten oder ihr etwas an ihnen nicht zusagte. Jetzt warf sie ihnen ein Scherzwort zu oder ließ es ihnen hingehen, ohne etwas zu sagen.
Lavrans wollte jetzt mit den großen Brüdern im Dachraum oben schlafen.
„Ja, dich muß man nun wohl zu den erwachsenen Burschen rechnen, mein Sohn.“ Sie grub ihre Finger in das dichte goldbraune Haar des Knaben und zog ihn zu sich heran - er reichte ihr jetzt schon bis zur Mitte der Brust. „Du, Munan, wirst du es noch eine Zeitlang ertragen, daß deine Mutter dich als Kind betrachtet?“
An den Abenden, wenn der Knabe unten in der Stube sich schlafen gelegt hatte, mochte er gerne, daß die Mutter sich zu ihm aufs Bett setzte und ihn ein wenig streichelte. Da lag er mit dem Kopf in ihrem Schoß und redete viel kindlicher als am Tage, wenn die Brüder ihn hören konnten. Sie sprachen davon, wann der Vater wieder heimkäme.
Dann rückte er auf
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