Kristin Lavranstochter 2
Mannes weiter auf Sundbu. Dagny Bjarnestochter war stets ein wenig schwachsinnig gewesen und hatte immer vor aller Augen gezeigt, daß sie ihren Gemahl ganz über alle Maßen liebte -Borgar Trondssohn war schön, hatte aber ziemlich lose Sitten. Im Winter, nachdem er außer Landes gezogen war, ertrank Dagny in einer offenen Stelle auf dem vereisten Vaage-See. Man nannte es einen Unglücksfall. Die Leute begriffen wohl, daß Kummer und Sehnsucht Dagny ihres geringen Verstandes beraubt hatten, und alle bedauerten aufs innigste die einfältige, freundliche und hübsche junge Frau, die einen solch schrecklichen Tod gefunden hatte. Dadurch wuchs der Groll gegen Erlend Nikulaussohn, der all dieses Unglück über die besten Sippen der Umgebung gebracht hatte, immer mehr an. Jetzt wurde auch darüber geredet, wie er vorgegangen war, als er die Tochter Lavrans Lagmannssohn heiraten sollte - ja, sie stammte ja ebenfalls von den Gjeslingern ab, durch die Mutter.
Der neue Herr auf Sundbu war wenig beliebt, obwohl eigentlich keiner etwas über Sigurd selber sagen konnte. Aber er stammte aus Südnorwegen, und sein Vater, Erlend Eldjarn, hatte sich in diesem Teil des Landes mit jedem Menschen, der mit ihm etwas zu tun gehabt hatte, verfeindet. Kristin und Ramborg waren diesem ihrem Vetter noch nie begegnet. Simon kannte Herrn Sigurd von Raumarike her - er war ein naher Verwandter der Haftorssöhne, und diese wiederum waren mit Gyrd Darres Frau nahe verwandt. Da aber die Dinge jetzt so verfahren waren, wich Simon einer Begegnung mit Herrn Sigurd aus, so gut er konnte. Nach Sundbu zu kommen, fühlte er jetzt keine Lust, die Trondssöhne waren ihm liebe Freunde gewesen, Ramborg und die Frauen Ivars und Borgars hatten einander jedes Jahr besucht. Auch war Sigurd Erlendssohn viel älter als Simon Andressohn - ein Mann nahe den Sechzigern.
So verwickelt, wie alles dadurch geworden war, daß Erlend und Kristin jetzt auf Jörundhof wohnten, dünkte es Simon, daß die Heirat dieses Verwalters, wenngleich man ihr keine allzu große Bedeutung beizumessen brauchte, doch genügte, um die Lage noch schwieriger zu gestalten. Für gewöhnlich pflegte er seine junge Frau nicht zu behelligen, wenn er irgendwelche Schwierigkeiten oder Hindernisse zu überwinden hatte. Jetzt aber konnte er sich doch nicht enthalten, mit Ramborg ein wenig über diese Dinge zu sprechen. Verwundert und zugleich froh erkannte er dabei, wie verständig sie darüber sprach und in welch schöner Weise sie versuchte, nach besten Kräften alles zu tun, um zu helfen.
Sie war jetzt viel öfter auf Jörundhof bei ihrer Schwester als früher und ließ ihr unfreundliches Wesen gegen Erlend völlig fallen. Am Weihnachtstag, als alle nach der Messe sich auf dem Kirchenhügel trafen, küßte Ramborg nicht nur Kristin, sondern auch den Schwager. Und dabei hatte sie doch früher immer so böse über diese seine ausländischen Faxen gespottet - darüber, daß er seine Schwiegermutter zur Begrüßung immer geküßt hatte und ähnliches.
Als Simon sah, wie Ramborg ihre Arme um Erlends Hals legte, durchfuhr ihn der Gedanke, daß er es doch mit der Schwester seiner Frau ebenso machen könnte. Aber er fühlte -er konnte dies doch nicht tun. Er hatte ja auch nie den Brauch, die verwandten Frauen zu küssen, angenommen - war bei seinem ersten Versuch von seiner Mutter und seinen Schwestern so ausgelacht worden, damals, als er noch als Page im Königsgefolge war.
Beim Weihnachtsschmaus auf Formo gab Ramborg Ulv Haldorssohns junger Frau einen schönen und ehrenvollen Platz und erwies sowohl ihm als ihr die Ehren, wie sie sich für Neuvermählte schickten. Und sie kam nach Jörundhof und stand Jardtrud bei, als diese das Kind bekam.
Das war ein Monat nach Weihnachten - zwei Monate zu früh, der Knabe wurde tot geboren. Jetzt gebärdete Jardtrud sich ganz wild - hätte sie denken können, daß es so gehen würde, so hätte sie Ulv nie geheiratet. Aber nun war es einmal geschehen und konnte nicht mehr geändert werden.
Was Ulv Haldorssohn zu der ganzen Sache meinte, wußte niemand - er sagte überhaupt nichts.
In der Woche vor Mittfasten ritten Erlend Nikulaussohn und Simon Andressohn südwärts nach Kvam. Lavrans hatte einige Jahre vor seinem Tod im Tal dort mit ein paar anderen Bauern einen kleineren Hof gekauft; jetzt wollten die früheren Besitzer ihn wieder an sich bringen, es herrschte aber einige Unklarheit darüber, wie man seinerzeit mit dem Rechtsvorbehalt vorgegangen war und ob
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