Kristin Lavranstochter 2
selbst war wohl kaum mit dem zufrieden, was sie sich eingebrockt hatte. Kristin war ganz verzagt, als sie mit Simon darüber sprach - er kam einige Wochen nach der Hochzeit einmal nach Jörundhof. Jardtrud quälte ihren Mann damit, daß sie doch auf seinen Besitz in Skaun übersiedeln sollten; weinend hatte sie geäußert, so daß Kristin es hörte - das Schlimmste wäre ihr, wenn man ihr Kind den Sohn eines Dienstknechts nennen könnte. Ulv hatte darauf nichts geantwortet. Die Jungvermählten wohnten in dem Haus, das die Verwalterstube hieß, denn Jon Einarssohn hatte dort gewohnt, ehe Lavrans den ganzen Hof Laugarbru kaufte und ihn dort unterbrachte. Aber dieser Name gefiel Jardtrud nicht. Und es verdroß sie, daß sie ihre Kühe in Kristins Stall stehen lassen mußte - hatte wohl Angst, es könnte jemand glauben, sie sei Kristins Dienstmagd. Das sei ja schließlich auch begreiflich, meinte die Hausfrau - sie würde wohl einen Stall für die Leute in der Verwalterstube bauen lassen müssen, wenn Ulv sich nicht entschloß, mit seiner Frau nach Skaun zu ziehen. Dies letztere wäre vielleicht das beste, meinte sie, er sei nicht mehr so jung, daß es ihm nicht schwerfallen müßte, seine Lebensweise zu verändern; vielleicht fiel es ihm an einem neuen Ort leichter.
Simon dachte, darin könnte sie wohl recht haben. Und Ulv war sehr wenig beliebt in der Gegend hier. Sprach über alles und jedes hier im Tal mit höhnischen Worten. Ein tüchtiger und fleißiger Landwirt war er wohl, aber unbewandert in vielen Dingen in diesem Winkel des Landes - stellte im Herbst mehr Vieh auf, als er den ganzen Winter hindurch füttern konnte, und wenn die Tiere dann im Stall zugrunde gingen oder er gegen das Frühjahr zu einen Teil des verhungerten Stallviehs schlagen mußte, so grämte er sich und schob die Schuld darauf, daß er diese Häuslerwirtschaft hier im Tal nicht gewöhnt sei, wo man schon um die Zeit der Paalsmesse dem Vieh geschabte Rinde unters Futter mischen müsse.
Dann war noch eine andere Sache: Im Drontheimischen hatte sich zwischen Grundherren und Häuslerbauern nach und nach der Brauch herausgebildet, daß jener den Zehent in Gestalt der Waren erhob, die er am notwendigsten brauchte, wie Heu, Häute, Mehl, Butter oder Wolle, selbst wenn bei der Abmachung des Pachtverhältnisses eine gewisse Summe Geldes oder eine entsprechende Ware verabredet worden war. Und es waren auch der Grundherr oder seine Vertrauensleute, die den Wert der verschiedenen Waren ziemlich eigenmächtig berechneten. Als aber Ulv auf Jörundhof mit dieser Forderung zu Kristins Pächtern kam, nannten die Leute dies ein Unrecht und eine grobe Ungesetzlichkeit - was es auch wirklich war -, und die Bauern beklagten sich bei der Herrin. Sie wies Ulv zurecht, gleich nachdem sie von der Sache gehört hatte, aber Simon wußte, daß die Leute nicht nur Ulv die Schuld gaben, sondern auch Kristin Lavranstochter. Er hatte sich Mühe gegeben, überall, wo er von dieser Sache hörte, zu erklären, daß Kristin nichts von Ulvs Forderungen gewußt hätte und daß diese dort in der Gegend, aus der der Mann stammte, so Brauch und Sitte seien. Aber Simon fürchtete, daß seine Worte nicht viel nützten - obgleich ihm keiner offen ins Gesicht widersprach.
So wußte er also kaum, ob er wünschen sollte, daß Ulv bei ihr bleiben oder wegziehen möge. Wie sie ohne diesen tüchtigen und getreuen Helfer zurechtkommen würde, konnte er sich nicht vorstellen. Erlend war völlig ungeeignet, die Leitung des Hofes zu übernehmen, und ihre Söhne waren viel zu jung. Aber Ulv hatte die ganze Gemeinde bereits reichlich gegen Kristin aufgebracht - und nun kam noch das hinzu, daß er ein junges Mädchen aus einem wohlhabenden und angesehenen Ge-schlecht des Tales verführt hatte. Weiß Gott, Kristin kämpfte schon schwer genug, so wie es jetzt um sie stand.
Auch im übrigen befanden sich die Leute auf Jörundhof in einer schwierigen Lage. Erlend war wohl kaum beliebter als Ulv. War Erlends erster Untergebener und Verwandter hochmütig und aufreizend, so wirkte der Hofherr mit seiner freundlichen, ein wenig schläfrigen Art noch mehr herausfordernd. Erlend Nikulaussohn kam wohl nicht auf den Gedanken, daß er die Leute gegen sich aufbrachte - er schien nichts anderes zu denken, als daß er, reich oder arm, doch der war, der er stets gewesen war, und er ließ es sich wohl kaum träumen, daß man ihn deshalb hochmütig nennen könnte. Er hatte Pläne geschmiedet, um eine Schar von
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