Kristin Lavranstochter 2
Haldorssohn. Erlend hielt sein Pferd, und Kristin sah, daß es gesattelt war und daß ihr Mann sich zur Reise gekleidet hatte. Die beiden Männer sprachen eine Weile miteinander, aber sie konnte kein Wort verstehen. Dann schwang Erlend sich in den Sattel und begann Schritt für Schritt auf das Gatter zuzureiten; er blickte nicht zurück, schien aber mit Ulv, der neben dem Pferd herging, weiterzusprechen.
Als sie oben zwischen den Zäunen verschwanden, schlich Kristin hinaus, eilte so lautlos wie möglich zum Zaun hinauf, stand dort und lauschte - jetzt hörte sie, daß Erlend sein Tier auf dem Hauptweg traben ließ.
Bald darauf kam Ulv zurück. Er hielt jäh inne, als er die Frau am Zaun stehen sah. Eine Weile standen sie da und sahen einander in der Dämmerung an. Ulv war mit bloßen Füßen in die Schuhe geschlüpft und trug unter dem Umhang nur ein Hemd.
„Was soll das heißen?“ fragte Kristin heftig.
„Das mußt du wohl wissen - ich weiß es nicht.“
„Wo ritt er hin?“ fragte sie wiederum.
„Nach Haugen.“ Ulv stand eine Weile da. „Erlend kam herein und weckte mich, er sagte, daß er heute nacht dahin reiten wolle - und er schien Eile zu haben; er bat mich noch, ihm einige Sachen nachzusenden,“
Kristin schwieg lange.
„Er war also zornig?“
„Er war ruhig.“ Bald darauf sagte Ulv leise: „Ich weiß nicht, Kristin, ob du nicht etwas gesagt hast, was du lieber ungesagt hättest sein lassen sollen.“
„Einmal mußte Erlend es wohl ertragen können, daß ich mit ihm wie mit einem vernünftigen Menschen redete“, erwiderte Kristin heftig.
Sie gingen langsam weiter. Ulv wandte sich seinem eigenen Haus zu, als sie ihm nachkam.
„Ulv, Verwandter“, bat sie voller Angst, „früher warst du es, der früh und spät zu mir sagte, daß ich mich um meiner vielen Söhne willen hart machen und mit Erlend sprechen müsse.“
„Ja, ich bin klüger geworden mit den Jahren, Kristin, du aber nicht“, antwortete er wie vorher.
„Du tröstest nicht gut, du“, sagte sie bitter.
Er legte eine Hand schwer auf die Schulter des Weibes, sagte aber zunächst nichts. So standen sie - es war so still, daß sie beide das ewige Flußrauschen hörten, das sie sonst nie vernahmen. Draußen im Tal krähten die Hähne, und Kristins Hahn antwortete schallend vom Stall her.
„Ja, ich habe lernen müssen, vorsichtig mit dem Trost umzugehen, Kristin, wir haben in den letzten Jahren viel von dieser Ware verbraucht - jetzt heißt es damit sparen, denn wir wissen nicht, wie lange sie noch reichen muß
Sie entwand sich seiner Hand; die Zähne tief in die Unterlippe gedrückt, drehte sie ihr Gesicht zur Seite, dann flüchtete sie hinunter, zurück zur Feuerstube.
Der Morgen war eisig kalt, sie schlang ihren Umhang dicht um sich und zog die Kapuze über den Kopf. Zusammengekrochen, die Füße mit den vom Tau nassen Schuhen unter den Rock hinaufgezogen und die gekreuzten Arme auf die Knie gestützt, so saß sie am Rand der kalten Feuerstätte und grübelte. Von Zeit zu Zeit lief ein Zittern über ihr Gesicht, aber sie weinte nicht.
Sie mußte geschlafen haben - denn sie fuhr mit Schmerzen im Rücken auf, durchfroren und steif. Die Tür stand einen Spalt weit offen - sie sah, daß draußen auf dem Hofplatz die Sonne leuchtete.
Kristin trat in den Rundgang hinaus - die Sonne stand bereits hoch; von der Weide drunten hörte sie die Glocke des
Pferdes dort, das hinkte. Sie warf einen Blick zu der Neustube hinüber. Da wurde sie gewahr, daß der kleine Munan oben auf dem Altan stand und zwischen den Pfosten herausschaute.
Die Söhne - durchjagte es sie. Was mochten sie gedacht haben, als sie erwachten und sahen, daß das Bett der Eltern unberührt war?
Sie lief über den Hofplatz und zu dem Kind hinauf - Munan hatte nur ein Hemd an. Kaum war die Mutter zu ihm getreten, schob er seine Hand in die ihre, als fürchte er sich. Drinnen im Dachraum war noch keiner von den Burschen ganz angezogen - es hat sie wohl niemand geweckt, dachte sie. Alle sahen rasch zur Mutter auf und dann wieder zu Boden. Sie ergriff Munans Strümpfe und wollte ihm helfen, sie anzuziehen.
„Wo ist der Vater?“ fragte Lavrans erstaunt.
„Dein Vater ritt schon in aller Morgenfrühe nach Haugen hinauf“, antwortete sie. Sie merkte, daß die Größeren aufhorchten, da sagte sie: „Du weißt, er hat schon so lange davon gesprochen, daß er einmal hinauf müsse, um zu sehen, wie es mit seinem Hof gehe.“
Die beiden Kleinen sahen der Mutter
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