Kristin Lavranstochter 2
du keinen Schlaf zu finden glaubst?“ fragte er nach einer Weile.
Kristin richtete sich auf. Sie hielt eine Haspel mit hellgrünem Wollgarn in den Händen, spielte damit und drückte sie zwischen den Fingern.
„Was war es, worüber du heute mit Naakkve sprachst?“ Sie schluckte ein paarmal hinunter, ihr Hals war so trocken. „Ein Ratschlag, der - nicht für ihn taugte, so schien er zu meinen, aber ihr spracht davon, daß Ivar und Skule ...“
„Ach - diese Sache!“ Erlend lächelte ein wenig. „Ich sagte nur zu dem Burschen - ich habe doch auch noch einen Schwiegersohn, wenn ich mich recht besinne. - Obwohl Gerlak kaum mehr so eifrig sein wird wie früher, mir die Hände zu küssen und mir Umhang und Schwert zu tragen. Aber er besitzt Schiffe auf dem Meer - und reiche Verwandte in Bremen und in Lynn. Er muß doch jetzt wohl begreifen, daß er die Pflicht hat, den Brüdern seiner Frau zu helfen, der Mann - ich sparte ja auch nicht an meinen Gütern, als ich ein reicher Mann war und meine Tochter mit Gerlak Tiedekenssohn verheiratete.“
Kristin sagte nichts. Schließlich meinte Erlend ein wenig heftig:
„Jesus! Kristin, steh doch nicht so da, als wärst du zu Stein geworden.“
„Damals, als wir uns das erstemal trafen, hätte ich mir nicht träumen lassen, daß unsere Kinder es einmal nötig haben würden, in der Welt herumzuwandern und auf fremden Höfen um ihr Brot zu bitten . . .“
„Nein, zum Teufel auch, wenn ich gedacht habe, daß sie bitten sollen! Aber wenn sie sich alle sieben hier auf deinen Höfen ihr Essen schaffen sollen, dann müssen sie mit Bauernkost vorliebnehmen, meine Kristin - und ich glaube, meine Söhne taugen schlecht zu so etwas. Ivar und Skule werden allem Anschein nach einmal Draufgänger - und draußen in der Welt gibt es überall Weizenbrot und Kuchen für einen Mann, der sein Essen mit dem Schwert schneiden will.“
„Du willst also, daß deine Söhne einmal Söldner und gedungene Kriegsleute werden?“
„Sold nahm ich selbst einmal, als ich noch jung war und dem Grafen Jacob folgte. Gott sei ihm gnädig, sage ich - damals lernte ich ein wenig von dem, was ein Mann hierzulande nicht zu sehen bekommt, ob er nun großartig in seinem Hochsitz sitzt, mit dem silbernen Gürtel um den Wanst, und Bier in sich hineingießt oder ob er hinter dem Pflug her geht und die Fürze der Gäule schmeckt. Ein frisches Leben führte ich im Dienst des Grafen - das sage ich, obgleich mir dieser Klotz an den Fuß geschmiedet wurde, schon als ich noch in Naakkves Alter war. - Aber ich konnte doch wenigstens meine Jugend noch genießen . ..“
„Schweig!“ Kristins Augen verdunkelten sich. „Würde es dir nicht den unerträglichsten Kummer bereiten, deine Söhne so in Sünde und Unglück hineingedrängt zu sehen?“
„Doch, Gott bewahre sie davor - aber es wäre ja auch nicht notwendig, daß sie alle Dummheiten ihres Vaters nachmachten. Man kann doch in Herrendienste treten, Kristin, ohne daß man sich solchen Anhang auflädt.“
„Wer das Schwert zieht, der soll sein Leben durch das Schwert verlieren, so steht es geschrieben, Erlend!“
„Ja, ich habe das gehört, meine Liebe. Trotzdem starben sie gut und christlich in ihrem Bett, mit der Letzten Ölung und aller Hilfe für ihre Seele, die meisten, sowohl von deinen als auch von meinen dahingeschiedenen Vätern, Kristin. Du brauchst ja nur an deinen eigenen Vater zu denken - er hatte doch in seiner Jugend bewiesen, daß er Manns genug war, sein Schwert zu führen.“
„Das war im Krieg, Erlend, auf Geheiß jenes Königs, dem sie Treue geschworen hatten, und um die Heimat zu schützen, ja, damals griffen Vater und auch die anderen zu den Waffen. Trotzdem sagte der Vater selbst, Gott wolle nicht, daß getaufte, christliche Männer die Waffen gegeneinander erhöben.“ „Nein, das weiß ich. Aber die Welt ist nun einmal nicht anders, seitdem Adam und Eva von dem Baum aßen - und das war vor meiner Zeit; ich kann nichts dafür, daß wir mit der Sünde in uns geboren sind ...“
„Eine schändliche Rede führst du ...“
Erlend unterbrach sie heftig:
„Kristin - du weißt genau, ich weigerte mich nie, meine Sünden nach besten Kräften zu bereuen und zu büßen. Ein frommer Mann bin ich nicht, das ist wahr. Ich sah zu viel in jener Zeit, da ich Kind und Knabe war. Mein Vater war ein so lieber Freund der großen Herren beim Kapitel - wie die grauen Schweine gingen sie bei ihm ein und aus, Herr Eiliv, seinerzeit als er Priester
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