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Kristina, vergiß nicht

Kristina, vergiß nicht

Titel: Kristina, vergiß nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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verlaufen.
    ›Ihr Störche, ihr Teufel!‹, schrie ich. Aber es lag wohl mehr Angst als Wut in meiner Stimme. Laut brüllte ich: ›Hallo! Hallo!‹ Ein mattes, hohles Echo wurde von den Bäumen zurückgeworfen. Ich rannte wieder los. Ohne Überlegung jetzt. Dabei stiegen mir Tränen in die Augen. Ich weinte laut. Schließlich konnte ich nicht mehr laufen. Ich ließ mich ins Gras fallen, lang auf den Boden.
    Doch kaum lag ich, da drang durch mein Schluchzen Hufgestampf. Pferde! Ich sprang auf, sah die weißbraun gescheckten Gäule, Menschen drauf. Reiter. Ich schrie. Sie hielten die Pferde an. Gescheckte Pferde! Mir schoss eine neue Angst ins Herz. Zigeuner! Nur Zigeuner hatten gescheckte Pferde!
    Wie ein riesiger Bagger seinen Greifer öffnet und das Erdreich auf die Erde donnert, so war es mit den Gedanken, die auf mich herabstürzten. Kinderfresser, Diebe, Räuber. Türen zu! Die Hühner in den Stall! Die Schublade verschließen, in der die Zlotys unter den Hemden liegen!
    Zigeuner! Ich wünschte mir, die Erde risse auf, verberge mich. Einer löste sich aus der Gruppe, trabte heran, beugte sich tief herab und hob mich vor sich auf sein Pferd. Ein wildes Gesicht, ein langer Schnurrbart, funkelnde Augen dicht über mir. Steif vor Schreck, vergaß ich mich zu wehren. Halb betäubt ließ ich es geschehen, dass sie mit mir eine Strecke ritten. Auf einer Lichtung schließlich hielten sie an. Jetzt merkte ich, dass drei dunkle Pferdekarren zu ihnen gehörten. Sie setzten mich ins Gras. Eine ältere Frau hockte sich neben mich. Ein Feuer flammte in der Nähe auf. Ich wimmerte und sah den Spieß schon vor mir, an dem sie mich rösten würden.
    ›Bist weggelaufen?‹, fragte die Frau. Sie hatte eine warme Stimme. Ich nickte.
    ›Der da bringt dich später ins Dorf zurück‹, sagte sie und zeigte auf den Mann, der mich mit seinem Pferd hergetragen hatte. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, was sie gesagt hatte.
    ›Ins Dorf?‹ Ich schlang meine Arme um die Alte und presste meinen Kopf fest in ihren Schoß.
    ›Na, na, na‹, flüsterte sie und strich mir über den Rücken. ›Was haben sie dir nur alles von uns erzählt, die Teufel.‹ Ihre Stimme klang heiser vor Trauer.
    Allmählich beruhigte ich mich. Als schließlich der Mann sich wieder auf sein Pferd schwang und mir zuwinkte, streckte ich der Frau die Hand hin, lief dann aber schnell zu ihm hinüber, immer noch von der leisen Furcht bedrückt, es könne doch noch alles anders kommen.
    Stumm trabte der Mann los. Es dauerte nicht lange, da tat sich der Wald auf. Das Dorf lag in der Abendsonne vor uns. Aber die Dorfstraße war nicht mehr leer. Die Leute standen in Gruppen, redeten aufgeregt miteinander und bemerkten den Zigeuner erst, als er sein Pferd mitten unter ihnen anhielt.
    ›Hans! Hans!‹, schrie mein Vater und riss mich vom Pferd in seine Arme.
    Einen Augenblick stand der Reiter unbeachtet.
    Er wendete sein Pferd.
    Da rief Tante Rosa: ›Warten Sie, Freundchen. Ich gebe Ihnen ein Huhn, Freundchen.‹ Sie ließ es nicht bei der schönen braunen Henne, sondern reichte ihm, in einen Leinenbeutel gehüllt, ein Stück fetten Speck und eine Knoblauchwurst.
    Er lachte, dass die Zähne unter seinem schwarzen Schnurrbart blitzten, hob seine Hand und trabte davon.
    Die Schweine waren längst wieder im Koben. Niemand kam auf den Gedanken, dass ich den schweren Balken gelöst haben könnte. Und ich schwieg wohlweislich. Dennoch kam ich nicht ganz ohne Strafe davon. Onkel Konrad führte mich an den Wasserbehälter. Vor dem Steinfass auf dem Hofe lag Alarich. Völlig ermattet hatte er seine Flügel weit auseinander gebreitet. ›Ist er tot?‹, fragte ich.
    Da hob der Gänserich ein wenig den Hals und öffnete seinen rötlichen Schnabel. Zum Zischen jedoch war er zu erschöpft. ›Er hat sich bald zu Tode geschwommen in dem Fass. Er konnte nicht heraus! Warum hast du ihn hineingestoßen!‹
    ›Ich?‹, fragte ich erstaunt.
    Doch Onkel sagte kurz angebunden: ›Morgen gehst du zur Strafe mit aufs Feld und liest drei Körbe Kartoffeln auf. Sonst . . .‹
    ›Aber ja, Onkel, das mache ich.‹ Ich strahlte ihn an.«
    »Janec, der Zigeuner«, sagte Basia und Andrzej fügte hinzu: »Jetzt kann ich mir auch die Mundharmonika erklären. Zigeuner spielen sie oft.«
    Sie gelangten an einen schmalen Bach, der eine weite Sandbank in den See hineingespült hatte. Er führte wenig Wasser. Basia sprang lautlos vor den anderen her und winkte ihnen.
    »Fische!«, sagte sie.
    Sie

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