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Kristina, vergiß nicht

Kristina, vergiß nicht

Titel: Kristina, vergiß nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Haus lag verlassen und still. Die Pferde standen nicht mehr im Stall und der Platz des Kastenwagens in der Remise war leer. Sie waren auf den Kartoffelacker gefahren. Ohne mich!
    Wütend lief ich durch den Hof, griff nach einem Stein und warf nach den Schweinen, die wild in ihrem aus festen Stämmen gefügten Holzkoben umherrannten, laut quiekten und mit den großen Ohren schlugen. Aber dann fiel mir ein besseres Spiel ein. Ich wollte das Tor am Koben öffnen. Dann würden sie ja sehen! Es gelang mir nur mit großer Mühe den schweren Balken zu heben, der quer vor das Tor gelegt war. Aber ich schaffte es und riss das Tor auf. Das Schweinegrunzen verstummte. Zögernd trippelten die Schweine mit kleinen Schritten auf das geöffnete Tor zu. Erst als sie erkannten, dass sich ihr Bewegungsfeld tatsächlich vergrößert hatte, stoben sie Rücken an Rücken hinaus und rannten im Trupp auf die Wiese und den dahinter liegenden Wald zu. Allmählich verflog meine Wut auf die bösen Großen, die mich nicht mit auf den Acker genommen hatten. Ich ahnte, dass die Schweinebefreiung doch wohl böse Folgen für mich haben würde.
    Ich schlenderte nachdenklich zum kreisrunden, aufgemauerten Wasserbehälter in der Mitte des Hofes. Daraus wurde das Wasser für das Vieh geschöpft. Es war bis dicht unter den Rand gefüllt. Onkel Konrad hatte am Morgen erst die Pumpen laufen lassen. In dem Becken schwamm Alarich, der alte Ganter, lebhaft hin und her. Ich neckte ihn ein wenig, aber nahe heran traute ich mich nicht. Ich fürchtete seinen scharfen Schnabel und sein Zischen und Fauchen, das er stets ausstieß, wenn ich mich nur näherte. Von den Schweinen hörte ich keinen Laut mehr. Ich stieg auf einen Zaunpfahl und hielt nach ihnen Ausschau. Im Rübenacker, dicht unter dem Walde, sah ich ihre graurosigen Rücken.
    Mir wurde klar, dass ich etwas unternehmen musste. Die Nachbarn! Ich würde die Klimaszewskis rufen. Schnell rannte ich über die Straße in das niedrige Holzhaus der Klimaszewskis. Die Tür stand auf. Niemand verschloss dort seine Tür. Ein junger Hahn war das einzige lebendige Wesen in der Stube. Er flatterte durch das Fenster davon. Die Klimaszewskis waren in den Kartoffeln und die Zatrybs und die Kowalczyks ebenfalls. Die Hühner scharrten im Sand der breiten, ungepflasterten Straße. Die wenigen Häuser mit den schweren Dächern waren in Reihen die Straße entlang gebaut und bildeten das ganze Dorf. Es lag wie von allen Menschen verlassen in der prallen Sonne des Nachmittags.
    Ich musste zu Onkel Konrad auf die Felder. Irgendwo hinter dem Wald sollten sie liegen. Ich wollte den Wagenspuren im Sand der unbefestigten Wege folgen. Bald hatte ich den Wald erreicht, kerzengerade Fichtenstämme mit hoch angesetzten Kronen. Noch rannte ich, aber mein Atem wurde heiß. Schließlich zwang mich ein Schmerz in der Brust langsamer zu gehen. Die Wagenspuren hatten sich in dem Waldweg nur noch flach eingedrückt und hörten schließlich ganz auf. Die Fichten blieben zurück und dichter Laubwald, Krüppelholz meist, säumte den Weg zu beiden Seiten wie eine grüne Mauer.
    Schon überlegte ich mir umzukehren, da öffnete sich der Wald zu einer Lichtung. Drei Störche standen ruhig wie Denkmäler, hoch aufgerichtet ihre Hälse.
    Sie sind auf der Suche nach Kindern, schoss es mir durch den Kopf. Und als ich silbrig das Wasser eines Sees am Ende der Lichtung schimmern sah, war es für mich klar: Mamas Geschichten stimmten doch. Mochte Großmutter tausendmal sagen: ›Setz dem Jungen nicht so dummes Zeug in den Kopf!‹ Mama wusste es eben besser als Großmutter. Die Störche fischen die Kinder aus dem See!
    Das wollte ich genau sehen. Ich verließ den schmalen Weg und ging vorsichtig auf die Störche zu. Die fühlten sich von einem so kleinen Burschen offensichtlich nicht bedroht, flogen zwar kurz auf, wenn ich näher kam, aber ließen sich nur wenige fünfzig Meter weiter wieder nieder. Ich weiß nicht, wie lange und wie weit ich ihnen gefolgt bin. Aber die Sonne stand schon niedrig, als sie endlich abstrichen.
    Ich blickte mich um. Kein Weg weit und breit. Vor mir der riesige See, zu beiden Seiten Baumgruppen, hohes Gras, Sommerblumen. Ich rannte, jetzt ohne auf das Stechen in der Brust zu achten, vom Ufer weg, immer geradeaus. Doch ehe ich mich versah, hatte ich eine andere Wasserfläche vor mir. Der Gedanke, den ich die ganze Zeit über weggeschoben hatte, ließ sich nicht länger verdrängen. Mir wurde klar, ich hatte mich

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