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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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mußte man jederzeit mit verborgenen Nebenbedeutungen rechnen; um so mehr, wenn die Russen einen wie von Wrangel auf diese Kongresse schickten. Einen Mann mit aufgelöster Vergangenheit und der außerordentlichen Fähigkeit, sich unter wechselnden Anforderungen stets erfolgreich anzupassen; eine Koryphäe, einen Demagogen und Rhetoriker, und so mischte von Wrangel auf den Kongressen mit. Er verfeinerte seine Methoden, um gezielt Einfluß zu nehmen auf Wahrnehmung und Interpretation seiner Worte, er entwickelte unsichtbare Taktiken, um die Gegentaktik sichtbar zu machen, und wenn er sich aus den Worten der anderen eine kodierte Information erschließen konnte, reagierte er so sachlich wie bei der Nomenklatur der Zackenbarsche. Und noch wenn er lächelte, lag Berechnung darin, und auf den Kongressen konnte sein sonst so kühler Ausdruck ergreifend erscheinen wie ein Atompilz.
    So tingelte von Wrangel zwischen den Blöcken. Als wären Nationalsozialismus und realer Sozialismus nur ein Nummernprogramm, als wäre der Schnitt durch Deutschland nun Höhepunkt der Darbietung. Er schickte weiterhin seine Postkarten ans Gesindehaus – Es grüßt, Ihr G. –, und wenn er auf Stippvisite in die Uckermark kam, brachte er Nippes mit; einen Dom aus Helsinki, die Replik eines Quastenflossers, die Stadtmusikanten. Und immer hatte er für die Zwillinge noch Leckereien dabei.

3
    Ein Mann kommt die Treppen hoch; er trägt Küchenkleider, das Schiffchen ist in den Nacken geschoben. Einmal blickt er in die Kamera, seine Goldzähne blinken, dann tritt er ein.
    Polykarp, sagen die Detektive.
    Dreimal Pita. Mit allem Drum und Dran, und er stellt eine Tüte auf den Schreibtisch.
    Nichts Neues?
    Alles ist immer neu.
    Was zu trinken?
    Warum nicht.
    Und so sitzen die Männer, Polykarp im zweiten Dandysessel, und als sie die Gläser wieder abgestellt haben, sagt er zu Willem: Ihre Detektive haben guten Schnaps.
    Ja.
    Wo kriegen sie den wohl her?
    Er scheint ihnen zuzufallen.
    Das sagen sie immer. Als könnten sie mühelos durch die Zeiten springen, und dann öffnet Polykarp die Tüte, und die Gerüche steigen auf. Als er in der Tür steht, dreht er sich noch mal zu Willem. Sie haben wohl nicht so ein Handy, was?
    Nein.
    Ich habe vorhin Ihre Frau in der Leitung gehabt.
    Barbara?
    Manchmal ist das Detektivbüro auf mich umgeschaltet. Sie wollte aber mit Ihnen sprechen.
    Die Ramows essen bereits, während Willem im Eckfenster steht.
    Barbara sagt: Jake hat angerufen. Ich hatte den Eindruck, daß er gerne mit dir geschwatzt hätte.
    Hat er etwas vom Schädel gesagt?
    Er scheint durchzubrechen.
    Wann?
    Es klang so, als könnte es jederzeit passieren.
    Kannst du mir seine Nummer geben?
    Wenn du ein Handy hättest, wäre sie dort abgespeichert. Und Jake hätte dich obendrein erreicht.
    Quatsch. Wenn ich ein Handy hätte, wäre ich längst irre, und Jake wäre niemals auf die Idee gekommen, mich anzurufen.
    Sie diktiert die Zahlenreihe, und Willem schreibt mit. Dann sagt sie: Du kannst ihn jetzt aber nicht erreichen. Er ist im Labor und meldet sich selber wieder.
    Wann?
    Das hat er nicht gesagt.
    Aber der Schädel bricht durch?
    Er war aufgeregt. Zerstreut. Euphorisch. Weißt du, was er gesagt hat: Day destroys the night, night divides the day. Try to run, try to hide, break on through to the other side.
    Das ist von den Doors.
    Barbara lacht.
    Das habe ich mit Schlosser gehört, als wir nach Berlin reingefahren sind. Und dann: Rufst du mich gleich an, wenn Jake sich wieder meldet? Oder noch besser, gib ihm die Nummer der Ramows. Dann wird seine Stimme sanft. Ich liebe dich.
    Barbara sagt: Laß uns heute abend bei Hector essen.
    Und wenn der Schädel die Zeit umdreht, treffen wir uns gestern abend. Küßchen. Dann legt er das Telefon ab und sieht aus dem Fenster.
    Die Pita ist nicht mehr heiß, und als er im Büffelleder sitzt, ißt er schweigend.
    Der mit der Zahnlücke ist als erster fertig; er geht nach hinten und kommt bald mit Kaffee zurück. Der andere hantiert mit einem Zahnstocher.
    Willem sagt: Ich soll Sie von Barbara grüßen. Und dann: Der Georgische Schädel scheint durchzubrechen.
    Woher weiß Ihre Frau denn das?
    Von Jake. Ein Bekannter von uns, der am Schädel dran ist.
    Von Wrangel war auch am Schädel dran.
    Willem lacht. Ihre Vitrinen sind voll mit Sachen, an denen wer weiß wer dran war.
    Da ist vielleicht

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