Kronhardt
kriegerische Energie in die ungeheuerlichsten Triebe verwandeln, und in von Wrangel schwollen die Theorien zum wissenschaftlichen Beweis des Herrenmenschen; bald lieÃen sie Exotik antanzen, slawische Albinomädchen etwa oder blauäugige Zigeunerinnen, und als wären sie Gottvater und Sohn, nahmen sie sich, was sie wollten.
Karl konnte in Polen also eine Menge organisieren, und seine Verbindungen reichten auch darüber hinaus. So versorgte er die Bremer-Stickerei-Manufactur, die Hakenkreuze ratterten, und als Ihre Mutter die Kronhardt-Brüder kennenlernte, kümmerte Karl sich auch um die Freunde seiner Schwester.
Robert war anfangs als kleiner Offizier in Bremen kaserniert, doch mit Karls Hilfe wurde er bald zum Reichsbekleidungsunterbeauftragten bestellt; er war geschäftlich fürs Reich unterwegs, und nebenher wurde er vertraut mit der Stickerei.
Ihr Vater Richard arbeitete damals schon als Photograph und lebte vor allem vom Verkauf an die Zeitungen. In Bremen machte er eine Serie über die Stickerei, die bei den Lesern ein Bedürfnis nach Verschmelzung auslöste; seine Bilder von SchweiÃ, von Schwielen und präziser Technik, an deren Ende diese unglaublichen Symbole herauskamen, drangen bald über die Stadt hinaus und regten entscheidend dazu an, die Stickerei in der Wochenschau vorzustellen. Und so sorgte Karl dafür, daà Richard einen festen Posten bei der Bremer Zeitung erhielt; gekoppelt an die tägliche Propaganda sollte er mit seinen Bildern die Heimatwirkung in den Volksköpfen festbrennen â eine heikle Aufgabe für einen Nazigegner, die Ihr Vater aber löste, indem er das Doppelsinnige und die Ironie seiner Bilder künstlerisch verbarg. Erst als Deutschland dann selber zum Kriegsschauplatz wurde, konnte er ganz unverdächtig die grandiosen Schlachtfeste und kannibalischen Heldentaten einfangen; den groÃdeutschen Wahnsinn und die Vermessenheit in einer Tiefenschärfe zeigen, die ringsherum alle Heimat auflöste.
Auch von Wrangel und Hartmann werden zu dieser Zeit bereits das Absurde aus den Endsiegparolen herausgehört haben, und nach dem zu urteilen, was wir aufgedeckt haben, arbeiteten sie gemeinsam an einer Zukunft, die ihnen jenseits des deutschen Zusammenbruchs neue Möglichkeiten offenhalten sollte. Vor allem Ihr Onkel Karl entwickelte aus seinen Verbindungen heraus eine nachgerade alchimistische Fähigkeit zur Verkleinerung; er verwandelte Gemälde in Pretiosen oder Barren in Papier, und beim Transport nach Bremen war dann auch Robert, der Reichsbekleidungsunterbeauftragte, eingespannt. Und aus diesem Blickwinkel heraus ist dann auch die Hochzeit Ihrer Eltern zu betrachten; anstatt Richard, den heimlichen Nazispötter, seinem Schicksal zu überlassen, besorgte Karl den Heiratserlaubnisschein, und von Wrangel unterschrieb als Trauzeuge. Karl organisierte daraufhin die Flucht, und Ihr Vater, der aus der Tiefenschärfe seiner Bilder heraus alle Kraft und alle Herrlichkeit in wunderbaren Spott verwandelt hatte, wurde zum Alibi für die Zukunft. Ein Künstler, der vor den Nazis emigriert war, und während in Bremen die Stockwerke des Hartmann-Hauses weggebombt wurden, saà Ihre Mutter mit ihm bereits in der Schweiz.
So hatte Karl Hartmann zumindest für die Zukunft der eigenen Blutslinie gesorgt, und als die groÃe Sowjetoffensive anrollte, lieà er sich wieder ganz durchdringen vom kriegerischen Rausch. Er war dabei, als die Memel aufgegeben wurde, er verlor Tilsit, verschanzte sich vor Königsberg, und während die Flüchtlingsströme aus dem Hinterland über das Haff zogen, wurde Karl zum letzten Mal mit einem abgehalfterten Trupp vor Danzig gesehen. Daà die Russen ihn gefangennehmen konnten, lag nur daran, daà seine Hand am Gewehr festgefroren war. Er kam in ein sibirisches Lager irgendwo am Tunguska-FluÃ, und 1947 ist er bei einem Fluchtversuch ertrunken; seine sterblichen Ãberreste wurden in der Taiga beigesetzt.
Während Ihre Mutter und Ihr Vater bereits emigriert waren und Karl Hartmann noch kämpfte, war von Wrangel dabei, sich in Nazideutschland aufzulösen. Um die notwendigen Hinterräume dafür sicher zu halten, muÃte er aber noch einmal in den Vordergrund treten, und seine Rede, die er vor einem Volkssturmbataillon in Danzig hielt, wurde aufgezeichnet und zum Befehl vervielfältigt. Tötet sie! rief er. Tötet sie! Denn es gibt nichts, was den Bolschewisten
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