Kronhardt
was dran, und dann trinken sie den Kaffee; die Spuren von Vulkangestein und ewigem Frühling, die wohlige Reibung gegen den Schnaps aus Kastilien.
Nach dem Kaffee sagen die Ramows: Gehen wir doch ein biÃchen raus.
Willem sagt: Nehmen Sie Ihr Telefon mit?
Ach was. Wir sind doch ruckzuck wieder hier.
Der Wind hat abgenommen, die Wolken sind verzogen, und Herbstlicht fällt über die Stadt. Sie queren den Theaterplatz, nehmen die schmale StraÃe hinter der Kunsthalle, und bald leuchtet das Laub aus den Wallanlagen. Ein- oder zweimal können sie Gänse hören, doch sie entdecken keine Formation. Kurz vorm Osterdeich zieht ein Tunnel gegen die FluÃwiesen, und bald sehen sie die schuppigen Reflexe dahinter, aufgeklatscht und wieder glattgezogen von Lastkähnen, und in der wummernden Luft die trägen Schläge der Möwen. Mütter spazieren mit ihren Kindern, ein paar Hunde bellen, und Willem sieht, wie das ablaufende Wasser eine letzte Reuse freigibt; ein Knochengerüst im Schlick, als wären die Gezeiten, die Jahre einfach stehengeblieben.
Zur Schlachte hin ist die Promenade saniert; rings die Menschen flanieren wie Ausflügler, die Welt scheint im milden Licht verschoben. Noch das Klingeln der Radfahrer zieht gedämpft dahin, und auch die Geräusche von der StraÃengastronomie, das Lachen von den in den Deich gebauten Steintreppen sind kaum mehr als fernes Plätschern.
Die Uhr am Martinianleger markiert die nächste Abfahrt, eine Glocke schlägt an. Ein Schiff liegt bereit, die Luft über dem Schornstein ist heiÃ. Die Detektive sehen Willem an; dann macht er eine Geste und kommt mit an Bord.
Sie stehen an der Reling, und als die Maschine hochfährt, vibriert das Eisen. Die Leinen werden eingeholt, der Anleger wird kleiner, die Stadt löst sich aus ihrer Festigkeit, und voraus weitet sich die Welt. Bald spüren die Männer eine Brise, in der sich aller Spätsommer noch einmal bündelt; am anderen Ufer zieht die Brauerei vorbei, und hinter der ersten Brücke ahnt Willem den Geruch der Kaffeeröster. Doch der Duft bleibt aus.
Die Heirat Ihrer Eltern, sagen die Detektive schlieÃlich.
Willem sieht über die Reling und sagt nichts. Die Welt ringsherum erscheint, als drifteten die Kontinentalschollen unter ihm hinweg und hinterlieÃen achtern ihre Spur, bevor sie in der Raumkrümmung verzerrten. Und so zieht die Welt dahin; die Schimäre, wo einst Eisen für Onassis gebogen wurde, die Ruine der Schnapsbrennerei, die ins Land geschnittenen Becken, und wie ein Prisma unter den langen Sonnenstrahlen Berge aus Schrott. Die Einfahrt in den Ãberseehafen ist aufgeschüttet, und wo einst die Dampfer zu Päckchen vertäut waren und die ganze Welt wie im Fingerhut dalag, zieht ein neugebauter Stadtteil vorbei. Die Getreidemühle taucht auf, die Frauen, wie sie im Grunde zart und anziehend unter den Türmen flanieren. Bald schiebt sich von Norden die Stahlhütte heran, Zylinder und Schornsteinflotten eingedeicht im alten Schwemmland, bald steigt der Geestrücken auf. Die bewaldete Ufermoräne, die Furchen der Eiszeit, und unter ihnen dehnt sich der FluÃ; Rönnebeck zieht vorbei, von vorn treibt das Schwemmland, die Biegung im FluÃ, und im Schilf verbleibt der groÃe Bunker fast unsichtbar. Der Deich zieht dahin, und jenseits ahnt Willem die Wurt.
Die Heirat Ihrer Eltern und die Emigration waren ein Unternehmen, das von Anfang an auf Scheidung und Rückkehr nach Deutschland ausgerichtet war. Dabei lieferten Kunst und Spott Ihres Vaters den moralischen Deckmantel; Ihre Mutter hatte durch ihn den Status einer Nazigegnerin, und auf einer Schweizer Bank lag das Familiengeld des Bruders Karl. Sobald sich die Dinge in Deutschland wieder entwickelten, konnte sie als unbescholtene Frau heimkehren und mit Robert dann den richtigen Mann heiraten. Ihr Vater wurde sicher in die Schweiz geschleust, wo er seiner Kunst ganz offen nachgehen konnte â das war der Plan, als Karl Hartmann die Hochzeit organisierte und Gustav von Wrangel als Trauzeuge unterschrieb.
Und tatsächlich funktionierte diese Art Ehe am Anfang problemlos. Ihr Vater fand in der Schweiz einen fruchtbaren Boden für seine Kunst; auch dort stieà er auf Menschen, die ihre Köpfe und Herzen vernagelt hielten, und er demaskierte die kleinbürgerlichen Muster, offenbarte hinter den Erscheinungen die latente Bereitschaft, im Rausch einer totalen Herrschaft
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