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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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sah, dem Tod Heimtücke und Absicht zu nehmen.
    So ging von Wrangel vom Kongreß ins Hartmann-Haus. Ihre Mutter stand in der Küche und bereitete das Essen. Es gab Seewolf an diesem Tag, und von Wrangel präparierte den Fisch für Ihren Vater. Danach ging er wieder auf den Kongreß, während Sie mit Ihrem Vater durch die Weltgeschichte spazierten.
    Als dann die Hafenrundfahrt anstand, war auch von Wrangel wieder unterwegs. Beinah unsichtbar mischte er sich unter die Passagiere der Alk, um den Schlußakt seiner eigenen Perfektion zu inszenieren. Und hokuspokus konstatierte er als unbekannter Arzt dann den Tod Ihres Vaters, und als der Leichnam von Bord gebracht wurde, saß von Wrangel schon wieder bei den Fischfreunden. Später schickte er eine Karte in die Uckermark: Es grüßt, Ihr G., und auf dem Heimweg kaufte er dann Nippes für die Russenhure und Leckereien für die Zwillinge.
    Als kaum später der Jungarzt Friedhelm Lampe die konstatierte Embolie als Todesursache anzweifelte, konnte von Wrangel darin höchstens eine Extragelegenheit sehen, seine Perfektion öffentlich zu präsentieren. Und er machte sich selbst zur Oberkoryphäe, indem er den Fall Ihres Vaters dem internationalen Koryphäenblatt der Ärzteschaft vorlegte.
    Die Ängste Ihrer Mutter, die schädlichen Einflüsse Ihres Vaters hatten ein Ende; die Emigration hatte ein Ende, Kronhardt wurde Ihr Stiefvater, und Ihre Mutter ging auf allen Ebenen daran, ihre Prägungen auf die Zukunft hin auszurichten.
    Willem steht da. Steht in der Welt und stellt keine Fragen.

4
    Die Kolben schlagen in ruhigem Takt, und achtern zieht der Dampfer seine Spur. Die See ist lau, krümmt sich in den Horizont, dehnt sich hinüber in die nun milde Färbung des Himmels. Eine Brise hat die Wolken zertrieben, manchmal zerklatscht eine Welle, und Willem kann das Spritzwasser schmecken.
    Das Geländer der Treppen ist salzig, und als er die Tür zum Ruderhaus öffnet, fällt der Außendruck wie durch eine Schleuse ein. Die Ramows stehen am Pult; einer trägt die Kapitänsmütze, der andere das Kesselpäckchen des Maschinenmeisters.
    Der mit dem Schnauzer hat die Mütze in den Nacken geschoben; er hält den Kompaß im Blick, den Kursradar, und über kleine Rädchen läßt er Töne auf und ab wimmern. Der andere steht am Kartentisch, spaziert mit dem Zirkel, zieht Striche, und dann scheint er seine Berechnungen mit dem Fernglas zu kontrollieren.
    Nach einer Zeit sagen sie: Ihr Törn.
    Wie?
    Wir gehen in den Maschinenraum. Sie müssen ans Ruder.
    Ich hab von Seefahrt keine Ahnung.
    Ach was. Wenn nötig, korrigieren Sie einfach. Bißchen backbord, bißchen steuerbord, ansonsten lassen Sie den Dampfer laufen. Und mit dem Sauggeräusch der Tür sind die Ramows verschwunden.
    Das Ruder ist klein, zwei Rundungen für jede Hand. Aus dem Schiffsbauch spürt er die ruhigen Schläge der Zylinder, und durch die Fenster kann er sehen, wie der Bug in gleichmäßigen Abständen aus dem Wasser hebt und wieder einstößt. Voraus schmelzen die Sphären ineinander, und in der Linie scheint aller Raum verdichtet. Wie ein Steuermann steht er so in der Welt; die vertrauten Maßstäbe des Alltags verschoben, die Tiefe ringsherum offenbart den Zusammenhang im Großen wie im Kleinen, und bald hält er das Ruder wie einst Juri Gagarin, justiert den Kurs strichweise wie sonst den Feintrieb am Mikroskop.
    Die Tür öffnet sich, und der Schnauzbärtige tritt ein. So ein Dampfer ist sensibel wie ein Mädchen, sagt er. Er läßt die Kapitänsmütze um einen Finger rotieren. Und dann: Wir müssen 10 Strich nach Backbord.
    Und Willem bringt die Kompaßnadel auf 270 Grad.
    Dann schnappt der Kapitän nach dem Mikrophon. Brücke an Maschine. Fertig zur Koffie-Time.
    Und gemeinsam verlassen sie das Ruderhaus.
    Der mit der Zahnlücke hat das Kesselpäckchen gegen die Kombination des Stewards getauscht. In der Messe riecht es nach frischem Kuchen, auf einem Tablett dampft Kaffee.
    Schlückchen dazu?
    Der Steward verteilt die Mucks und stellt ein Fäßchen dazu.
    Nach der Koffie-Time streckt sich der Kapitän auf der Bank aus und schiebt die Mütze ins Gesicht. Der Steward verschwindet durch eine Schwingtür und kommt mit Wäsche in den Armen zurück. Willem folgt seinem Kopfnicken. Er nimmt eine Kammer mit Bullauge, und manchmal steigt hinter dem

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