Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Titel: Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich liebte eine schöne Frau: Miniaturen
Vom Netzwerk:
aufzogen und im abgetragenen Hauskleid daheim saßen. Jede Nacht ließ er sich auf Kosten seiner Freunde mit den erlesensten Getränken bis zum Hals volllaufen, obwohl er den Champagner aus Frankreich hasste, lieber hätte er einen leichten Sommerwein mit Sodawasser getrunken, nur wenige Gläser auf der Veranda eines Bauernhauses. Wenn er gelegentlich zu Geld kam, ging er, weit weg von seinem Wohnviertel in der Josefstadt, in Wirtshäuser, wo er es genoss, dass man ihn für einen anständigen Menschen hielt, der nach seinen drei Achteln heim und ins Bett geht. Er politisierte ausgiebig mit den Bürgern, spielte mit den Hausierern und diskutierte über die städtische Bautätigkeit; leider ergaben sich solche Geselligkeiten im Leben von Miesmann jetzt seltener, immer mehr Stunden musste er, um in diesen schweren Zeiten zu überleben, in den nächtlichen Amüsiervierteln verbringen. Viel lieber hätte er sich am Morgen rasiert, und auch nur an Sonntagen wie die Männer auf dem Land, doch er musste jeden Abend zumBarbier gehen! Die Zigeunermusik hasste er inzwischen so sehr, dass er dies nicht den fiedelnden Musikern, sondern sich selbst übelnahm. Er war fünfzig und trug Halbschuhe mit erhöhten Absätzen, färbte sich das Schnauzbärtchen und die Haare, polierte seine Fingernägel und rauchte teure Zigarren, dabei bereitete ihm der Duft des Eau de Cologne geradezu physische Schmerzen.
    Diana, die Blumenfrau des Etablissements, die einer verwelkten Kamelie ähnlich sah, bat Miesmann eines Morgens im verwaisten Tanzsaal, als von draußen noch das Poltern der davonfahrenden Kutschen zu hören war:
    »Kommen Sie doch morgen Nachmittag zu mir, Józsi-Bácsi, ich benötige einen guten Rat von Ihnen.«
    Diana empfing den Gast, der sonst nur in Häusern mit junger Weiblichkeit bei flüchtigen Liebschaften anzutreffen war, ein wenig gerührt und in einem schwarzseidenen Hausanzug. Ihr Zimmer war schlicht bürgerlich möbliert, über dem Bett das Bild der Muttergottes, an der Wand ein Behälter fürs Weihwasser, darin noch ein Zweiglein vom Palmsonntag; von vergilbten bäuerlichen Fotografien blickten sonderbare Menschen herab, altmodische Frauen, aus der Ecke, in der die mit einer bestickten Zierdecke geschützte Ottomane stand, meldete sich ein Hanfkörner knackendes Vögelchen in seinem grünen Käfig; als Diana den Kleiderschrank öffnete, um Briefe hervorzukramen, strömte ländlicher Duft daraus hervor.
    (Miesmann entdeckte auch noch eine schwarz gerauchte Meerschaumpfeife, mit der sich ein Bauer oft sein Leben lang die Zeit vertreibt. »Sie hat meinem Vater gehört und ist das einzige Erinnerungsstück an ihn«, und sie nahm Miesmann die Pfeife aus der Hand.)
    »Also, worum handelt es sich?«, fragte er und ließ sich in einem Ohrensessel nieder. »Du weißt doch, dass ich wegen irgendwelcher blöder Weibergeschichten nur sehr ungern schon am helllichten Tag aufstehe!«
    Gerührt stimmte ihm Diana zu:
    »Gerade deswegen habe ich mich doch an Sie gewandt, Józsi-Bácsi. Weil ich weiß, dass Sie ein ernster Mensch sind. Meine jüngere Schwester, die Lehrerin, heiratet.«
    Wie die meisten besonnenen Menschen sagte auch Miesmann einen Augenblick lang keinen Ton. Die Lehrerin war jene ganz Bestimmte, die in seinem Herzen seit etwa zehn Jahren genau das Eckchen einnahm, das auch bei den Gehenkten ein heiliger, unberührter Platz bleibt. Dieses Kämmerlein gibt es im Herzen des Menschen schon von dem Augenblick an, da er das Licht der Welt erblickt, und es hat die Aufgabe, in der Stunde des Todes, während der müden Minuten des Sterbens, dem Scheidenden Trost, Ruhe und eine letzte Nische für seine Gedanken zu bieten. Miesmann hat die Lehrerin zuweilen – zur Winterszeit, wenn der Tag spät anbricht – von Weitem verfolgt, wenn sie bei Schneetreiben zur Schule unterwegs war.
    Einmal hatte er Glück, durfte ihr vom Omnibus herunterhelfen. Damals trug die Lehrerin grüne Strümpfe. Im Herzen von Miesmann hat sie seit diesem Morgen immer grüne Strümpfe getragen, mal waren sie hellgrün wie das Wasser des Bächleins am Waldessaum, mal dunkelgrün wie die Wiesen im Abendwind. Gewiss haben sich diese Strümpfe sanft an die ganz sicher schönen sauberen Beine geschmiegt. Ach, hätte Miesmann nur einen einzigen Kuss auf ihre fleißigen Hände drücken dürfen, auf die Hand, die täglich schöne runde Buchstaben an die schwarze Schultafelschreibt und hübsche Kinderköpfe streichelt, für einen Lohn, um den man beschwipsten

Weitere Kostenlose Bücher