Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Titel: Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich liebte eine schöne Frau: Miniaturen
Vom Netzwerk:
Fräulein Schneider daselbst die allerschönste Dame.
    Fány Schneider wohnte in der ehemaligen Hut-Gasse und saß den ganzen Tag vor dem Spiegel. Sie hatte so blondes Haar wie die Wachspuppenköpfe in den Fenstern der Coiffeure – »Pariser Blond« nannte der Kenner einst dieses rötlichblonde Haar –, dazu einen weißrosa Teint und Augen so blau wie die Donau bei Wien. Meine allererste Geliebte. Für mich war sie der Inbegriff von Liebe und, selbst als Dame von Welt, mir zugetan, meine Gönnerin und Erzieherin zugleich, das Fräulein Schneider. Ich hatte bei ihr ein kleines Zimmer gemietet, vor dessen Fenster zum Hof im Frühling der Essigbaum blühte und im Winter, dick in Stroh gehüllt, ein eiserner Brunnen stand, sein Pumpenschwengel quietschte, als würde irgendwo ein sangesfreudiger, sehr alter Mann vor sich hin tirilieren. Die Möbel hatten allesamt nach außen gestellte Beine wie Möpse, gehäkelte Deckchen waren über jedes erdenkliche Möbelstück gebreitet. An den Sonntagen erklang im Speisezimmer eine alte Spieluhr, und auf dem Bücherbord prangten Kisfaludys in Rot und Gold gebundene Abenteuergeschichten aus der ungarischen Vergangenheit. Das Fräulein Schneider hielt sich einen in Rosenholz gefassten Spiegel vors Gesicht und war in einen schmucken Offizier mit weißem Überwurf verliebt, der bei Mailand lag. In Büchern und Romanen sind die Zwanziger- und Dreißigerjahre – des 19. Jahrhunderts – längst abgehandelt, doch noch vor zwanzig Jahren konnte man in der Hut-Gasse an dem einen oder anderen alten Kavalier den blauen Frack der napoleonischen Zeit entdecken. Als gingen dort dieUhren fünfzig Jahre nach, und Fräulein Schneider sah mir gedankenverloren in die Augen.
    »Möchten Sie nicht auch Soldat sein? Dichter und Soldat in einer Person?«
    Ihre Kleider dufteten stets nach Flieder, sie führte Tagebuch und ging sonntags in einem weiten geblümten Rock zur Kirche. Nach der Messe kamen verschiedene Onkel, die Fredi und Henry hießen, sowie Tanten, die als Suzanne und Rosi angeredet wurden, zu Besuch; am Nachmittag erschien ein Offizier in schäbigem Waffenrock und Weitschaftstiefeln, wie man sie auf Provinzbühnen trägt, zur Visite. Den Offizier ließ Fräulein Schneider schon mal im kleinen Salon in Gesellschaft der hundert Mal betrachteten oval gerahmten Fotografien und Alben warten, bis sie ihre Toilette beendet hatte. Ihr Antlitz war wie aus feinem Porzellan, sie bewegte sich mit Trippelschritten, hielt den Fächer in der Hand und konnte beeindruckend tief seufzen; das kurze Viertelstündchen, welches nachmittags, also zwischen dem Anzünden des Petroleumlichts und dem Abend, die Zeit überbrückte, verbrachte sie genauso mit Küsschengeben und Händchenhalten, leisen Schwüren oder indem sie das Köpfchen sanft auf eine Männerschulter legte, wie dies zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts jedes Fräulein tat, das etwas auf sich hielt und den ›Himfy‹-Zyklus oder Lord Byron gelesen hatte.
    Als hätte das Leben in der einstigen Innenstadt keinen anderen Sinn als den Sonntagnachmittag! In die sonderbaren Stuben dieser alten Häuser senkt sich weich die Abenddämmerung hinter die weißen, wie Schmetterlingsblüten gerafften Gardinen und die krummbeinigen Stühle, die in der nachmittäglichen Nüchternheit sonst mit respektablemAbstand voneinander herumstehen, rücken auf unsichtbaren Rädern näher zusammen. Durch die gewundenen Gässchen schlurfen vermummte, knorrige alte Frauen und Männer, aufrecht wie die Initialen alter Bibeln, von der Vesper nach Hause, in den Fenstern erwachen hinter gewölbten schmiedeeisernen Körben für Augenblicke die auf die Scheiben geklebten farbigen Zeichnungen zum Leben, ganz so, als ginge auf der rosa Bühne der Vorhang hoch. Ein schmuckes Jagdhaus steht irgendwo, und aus dem kranzförmigen Wald hallt schwermütig das Jagdhorn … In einem alten deutschen Städtchen rückt ein Regiment in ein fernes Land aus, die Militärmusik schmettert Märsche, die Soldatenröcke sind weiß, und der Tambourmajor wirft den Trommelschlägel in die Luft … Oder es ist Tanz in den Mai, und der Frühlingswald duftet nach Maiglöckchen, die Schützen tanzen Walzer mit den Damen des Städtchens, unermüdlich intoniert die Bürgerkapelle den ›Klapka-Marsch‹.
    Das Fräulein Schneider war bei solchen Reminiszenzen stets eine junge Dame und mit Henry in der bequemen Postkutsche nach Venedig unterwegs, dorthin, wo das Meer so schön blau schimmert.
    Jungen Männern

Weitere Kostenlose Bücher