Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
Unbekannter an meinen Tisch. Er grüßte höflich und bestellte sich auch einen Kaffee.
Später fing er dann eine Unterhaltung an. Über das Wetter, den Straßendreck, über Gesztenyés, den schwarzen Kaffee und über das Leben im Allgemeinen. Er sprach nett und eigentlich ziemlich vernünftig. Ich entschloss mich, mein frostiges Inkognito abzulegen, ebenso wie meine Absicht, in Gesztenyés allein und zurückgezogen zu weilen.
»Ist der Herr denn aus Gesztenyés?«, fragte er mich.
»Nein, ich bin hier fremd.«
»Ich bin Vük, der Postmeister.«
Auch ich stellte mich vor. Herr Vük ließ mich wissen, dass Gesztenyés noch keinen lebenden Schriftsteller zu Gesicht bekommen habe und ich damit rechnen könne, dass meine Anwesenheit ein gewisses Aufsehen erregen würde. Er betrachtete interessiert den Schnitt meines Jacketts.
»Aber ich wünsche keineswegs, Aufsehen zu erregen. Möchte vielmehr unauffällig und in aller Stille hier weilen und arbeiten.«
Dann verriet ich, in welcher Absicht ich in dieses entlegene Städtchen gekommen war.
Herr Vük schüttelte missmutig das Haupt:
»Dafür sind wir kein geeigneter Ort, glauben Sie mir, absolut nicht. In Gesztenyés pflegt man sogar die Handlungsreisenden groß zu feiern, weil sie Fremde sind.«
Dessen ungeachtet versprach er mir, dass er mein Inkognito respektieren und mich nicht verraten wolle.
Ich hatte eine düstere Vorahnung und ging am nächsten Tag nicht in die Konditorei. Am Abend, als ich im Speisesaal des
Goldenen Bären
friedlich mein Paprikahuhn verspeiste, überfiel mich Vük.
»Warum sind Sie heute nicht in die Konditorei gekommen? Am Nachmittag war die ganze Intelligenz da. Und jetzt erwartet man Sie dort noch immer.«
Mir blieb der Bissen im Hals stecken, indigniert klopfte ich mit dem Messergriff auf den Tisch.
»Sie haben mich also doch verraten?«
Vük stürzte nervös ein Glas Bier hinunter.
»Nein, da brauchte es keinen Verrat. Seit Tagen wird in der Stadt Ihr Porträt von Hand zu Hand gereicht. Selbst auf der Straße fahndet man nach Ihnen. Das Bild stammt aus irgendeinem illustrierten Blatt …«
Schlagartig ging mir auf, dass jetzt das Schicksal über mein geplantes großes Werk entschieden hatte. Eitel warich ja nie. Habe mich nicht danach gesehnt, in meinem Refugium Gesztenyés wie ein Meeresungeheuer bestaunt zu werden. Denn wenn sie in Gesztenyés noch kein Meeresungeheuer gesehen haben, dann ist ihnen hier erst recht noch kein Schriftsteller begegnet. Also werden sie beides bestaunen.
Ich habe den verflixten Vük, der sich mit hängendem Kopf verzog, ordentlich geschimpft.
Von dieser Minute an war es mit der Ruhe und Beschaulichkeit vorbei.
Ging ich durch die Straßen, blickte man mir nach: Knechte, Herren, Frauen und Schulmädchen; sie gafften mir ins Maul, wenn ich aß, eine alte Jungfer hielt, wie mir Anton, der Lohndiener, berichtete, stundenlang auf dem Gang des Hotels nach mir Ausschau. Es war frühmorgens, und nur die verdreckten Schuhe standen vor der Tür meines Zimmers. Ein Fräulein stieß mit der Spitze ihres Sonnenschirms meine Schuhe an und dachte vermutlich, sieh an, auch Dichter gehen in schmutzigen Schuhen.
Gesztenyés, Gesztenyés!
Nach einer Woche bekam ich einen Brief. Eine Dame: Sie bat unter
Miranda poste restante
um Korrespondenz. Ein Herr, Jonas Porkoláb, suchte in mir einen Partner zum Callabra-Spiel. Ich bekam eine Einladung zum Ball der Handwerksjugend von Gesztenyés, das Lokalblatt brachte mich (von Kollege zu Kollege) in der Rubrik Personalien. Ja, an einem Samstagabend fand ich zwei Feuerwehrmänner in Galauniform vor meiner Tür. Die Unglückseligen dachten in mir ihren künftigen Fahnenvater zu finden.
Vük informierte mich fleißig über alles. Eines Abends, ich war bereits eingeschlafen, weckte er mich:
»Mein Herr, die Bevölkerung von Gesztenyés ist maßlos enttäuscht von Ihnen. Warum halten Sie sich so kühl und desinteressiert von allem fern? Heute hat August Vancser im Kasino von Ihnen gesagt, ›ein Schriftsteller, bitte sehr, schreibt Gedichte‹, und er äußerte den Verdacht, Sie seien wohl gar kein richtiger Schriftsteller und hätten sich diese Berufsbezeichnung unrechtmäßig zugelegt.«
»Tut mir leid, Verehrtester, ich interessiere mich einfach nicht sonderlich für Gesztenyés und erwarte auch nicht, dass sich Gesztenyés für mich interessiert.«
Das brachte Vük aus der Fassung:
»Aber ich muss doch sehr bitten, das ist ja geradezu unerhört! Was wollen Sie?
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