Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
dass ich anderntags um acht noch ganze zweiundvierzig Kreuzer besaß, als ich es mir in einem Coupé des in Richtung Budapest fahrenden Zuges bequem machte und Gesztenyés für immer Adieu sagte.
Das ist die zweite – und vermutlich letzte – Geschichte, die ich meinem Porträt verdanke.
Doch seither erkläre ich, wann immer jemand behauptet, er habe da oder dort mein Porträt gesehen, diesen Vorwurf zur infamen Verleumdung. – Leiden ist schließlich keine Bagatelle!
(1896)
Die Frau mit den grünen Strümpfen
Miesmann fristete sein Leben in Budapest längere Zeit damit, dass er ältere Damen beriet, sich ihrer kleinen und größeren Sorgen annahm, ihnen einen Arzt besorgte, eine Kleinanzeige aufsetzte, wenn das Dienstmädchen gewechselt werden musste, der Schoßhund abhanden gekommen oder streunen gegangen war; Miesmann behielt für sie die Zahlen des Brünner Lottos im Auge, notierte die Losnummern der Klassenlotterie in seinem Notizbüchlein, schrieb in ihrem Auftrag Beschwerdebriefe an säumige Handwerksmeister, telefonierte mit der Gasgesellschaft, die Uhr hat er manchmal gleich selbst repariert, und falls erforderlich, beschimpfte er auch den Hausmeister als argen Lumpen. Miesmann war zur damaligen Zeit schon mit einem Bein im Ruhestand, schmarotzte ständig bei den Frauen, trug den Tänzerinnen ihre Schuhe nach, strich um die Garderoben der Schauspielerinnen herum, nahm sich der frisch aus der Provinz gekommenen Mädchen an, die sich in der Hauptstadt noch fremd fühlten, besorgte den Schneiderinnen Kundschaft, war mit alten Kellnern per Du, half, die Fasanen aus dem Vorjahr zu verkaufen, und drückte sogar ein Auge zu, wenn die Rechnung der Gäste etwas überhöht war. Er unterstützte jedes Blumenmädchen und die Kaffeehaus-Pianisten. Die Fiakerkutscher grüßten ihn, wenn er in Gesellschaft war, schon von Weitem. In manchen Sommernächten saß er gegen Morgen auf einer Bank am Andrássy-Boulevard, fragte die aus den Lokalitäten des Stadtwäldchens heimkehrenden Mädchen über die konsumierten Champagnermarken und über die Liebhaber aus; alles, was mit dem Nachtleben zu tun hatte, fand sein Interesse, gelegentlich trat er mit seinem Spazierstöckchen vor ein Fiakergespann, wenn er darin betuchte Bekannte entdeckte. Besonders abgesehen hatte er es auf den raizischen Millionär, dessen Anwesenheit in der Hauptstadt ihm seine Zuträger sogleich meldeten. Miesmann sah auf seiner Bank am Andrássy-Boulevard, seiner Sache gewiss, auf die Uhr und erwartete unter den schimmernden Morgenwolken, die über das Stadtwäldchen zogen, die braunen Füchse des Serben. Der Raize, wie man einen Serben damals nannte, war bis zum Morgen stets volltrunken und folgte Miesmanns Anordnungen ohne Widerrede. Er kramte seine Brieftasche hervor und übergab ihm das Darlehen. Miesmann steckte mit einer gewissen Erregung das Geld ein und befahl anschließend dem Kutscher seelenruhig:
»Bringen Sie dieses Schwein nach Hause!«
Auch stöberte er gern in den Taschen seiner Bekannten, sobald diese bei einer allzu feuchtfröhlichen Lustbarkeit eingenickt waren, die Ohren der Damen küsste er nur, um dabei die Verschlüsse der diamantenbesetzten Ohrringe in Augenschein zu nehmen; er kannte jeden Gassenhauer und besaß einen wehmütig klingenden Bariton, doch verachtete er jedermann, spottete über alle und redete ihnen übel nach, er war charakterlos wie ein Zigeuner-Acteur in Saloniki und weise wie ein Eremit, der nur von Baumrinde lebt, doch konnte er verliebt sein wie ein Barbiergehilfe oder ein Dichter. Im Winter schlich er um die Tische der Kartenspieler, spionierte Familiengeheimnisse aus, erpresste die Falschspieler, stritt mit seinen Gläubigern bis aufs Messer, seinem schmächtigen Schneider nötigte er dank seiner körperlichen Überlegenheit sogar einen neuen Anzug ab. Und dem Kaffeekoch vom Land drohte er, seine Frau verführen zu lassen, nachts schlich er geräuschlos an den Hauswänden entlang heimwärts – niemand wusste, wo er wohnte –, und er dachte oft daran, sich bis zum Morgen das Leben zu nehmen. Aber er verabscheute den Tod genauso wie das Leben. Liebte kühle Stuben, wo er an Sommernachmittagen ohne Hemd und Hose rauchen konnte, er mochte Menschen, die er nicht kannte, also solche, die tagsüber leben und für die Familie anständig und in Ehren arbeiten, er liebte Frauen, über die er nichts Schlechtes zu sagen wusste, die sich nicht modisch kleideten, sondern in ausgetretenen Schuhen gingen, Kinder
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