Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
Ungarn auf die Initiative von Fürst Franz II. Rákóczi zurück: Der ›Mercurius Hungaricus‹ (1705 – 1810), das vom Kuruzen-General Antal Esterházy begonnene und in der fürstlichen Hofkanzlei weitergeführte lateinische Periodikum, verfolgte das Ziel, das Ausland über die Feldzüge Rákóczis in Kenntnis zu setzen. Am Ende des 18. Jahrhunderts, als der Geist Ungarns nach langer Lethargie wieder zu neuem Leben erwachte, haben die damals entstehenden ungarischen Blättereine wesentliche, bis heute noch gar nicht ganz zu ermessende Rolle gespielt. Im 19. Jahrhundert war praktisch jeder Große der Nation auch in der Presse aktiv: Die meisten historisch bedeutenden Schriften des Lajos Kossuth sind als Artikel in ›Pesti Hírlap‹ (Pester Zeitung) erschienen; István Graf Széchenyi und sein politischer Widersacher Kossuth tauschten ihre kontroversen Meinungen in der Presse aus; auch der Dichter János Arany, einer der Giganten der ungarischen Literatur, redigierte ein Blatt. Große wie Jókai, Mikszáth, später Herczeg, Kosztolányi und auch Márai waren stets auch als Publizisten für die Presse tätig.
Erwähnenswert ist zudem – und dies dürfen wir vielleicht ohne nationale Voreingenommenheit feststellen –, dass die ungarische Presse in literarischer Hinsicht ein höheres Niveau hat als die englische, französische, italienische und die amerikanische. Womit aber nicht gesagt sein soll, dass ungarische Presseorgane per se besser wären als die westlichen – möglicherweise sind sie in der Übermittlung aktueller Nachrichten weniger rührig, ist ihre außenpolitische und wirtschaftliche Kompetenz weniger weitreichend. Doch die ungarische Presse ist dafür einigermaßen frei von manchen negativen Eigenschaften der ausländischen Organe. Die französischen Zeitungen enthalten, abgesehen von den ausgezeichneten Morgenblättern, kaum etwas anderes als Reportagen, die außenpolitischen Berichte sind voreingenommen, oft hysterisch, egal, worum es geht, sie hetzen stets gegen irgendetwas, bedienen den Geschmack der Massen. Etwas ganz anderes aber ist es erst, italienische Zeitungen aufzuschlagen. Immerhin gelten auch wir Ungarn als ein heißblütiges Volk; doch was ist unser Blut gegen das eines italienischen Journalisten? Der ist ständig in Ekstase, und er findet immer einen Grund dafür. Und verglichen mit den englischen Zeitungen, ist all das noch gar nichts. Der größte Teil der englischen Blätter besteht aus einer riesigen, aufgeblähten Sonntagsbeilage für Kinder. Sie unterrichten über die unwichtigste Banalität, über jede Geste jedes einzelnen Royals, informieren über wichtige und unwichtige Vorgänge in der Gesellschaft, berichten, welches Kleid die Braut getragen und was der Bräutigam empfunden hat. Gelegentlich schreiben sie auch über bedeutende Persönlichkeiten, Künstler, Wissenschaftler, dann aber lediglich Dinge von
human interest
, also wie jemand Golf spielt oder was er am liebsten frühstückt. Außerdem veröffentlichen sie Leserzuschriften, in denen Abonnenten nachfragen, ob auch die Hunde anderer Leser wie der ihre zu pfeifen pflegen – Ereignisse von weltweitem Interesse werden dagegen in wenigen Zeilen abgetan.
In unseren Blättern wirkt alles literarischer. Bezeichnend ist auch zum Beispiel, dass viel mehr mit Namen gezeichnete Artikel erscheinen, was an sich schon vom größeren Ehrgeiz der Publizisten, aber auch der Leserschaft zeugt. Die ungarische Presse und ihre Leser sind mit schöner Literatur, mit Feuilletons, Glossen und Humoresken, mit Essays und Lyrik sogar reicher gesegnet als italienische Blätter, obwohl die sich mangels politischer Diskussion im Land genötigt sehen, mehr Literarisches zu publizieren.
Unsere Presse ist so literarisch ausgerichtet, dass sie für die Buchverlage fast schon zu einer gefährlichen Konkurrenz wird.
Den Standpunkt, die Publizistik sei nicht Teil der Literatur und folglich der Literaturgeschichte, können wir absolut nicht teilen. Auch nicht, was die ästhetische Bewertung betrifft, denn auf bestimmten Feldern der Publizistik sehen wir, sowohl in der Vergangenheit wie in unseren Tagen, zweifellos literarische Inspiration, also schöpferisches Potenzial am Werk. Auch aus einem weiteren Grund wäre dieser Standpunkt inakzeptabel: Der Literaturhistoriker soll die Bewusstseinsinhalte der ungarischen Gesellschaft, die geistigen Strömungen und wie sie sich im Volk widerspiegeln, mithilfe der Literatur aufzeigen, und dabei kann er auf
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