Krumme Gurken
Stinkefinger.
»Schnell!«, rief ich. »Die Straßenbahn kommt!« Rowdy wohnt auf der anderen Seite der Neustadt, und Dresden ist echt groß. Wir spurteten los. Hätte ich geahnt, was mich erwartet, wäre ich vorsichtiger gewesen.
»Guck mal!«, rief Rowdy, der hinter mir hertrabte. »Da ist Carmela!«
»Carmela? Meine Schicksalsfrau?« Ich drehte mich im Laufen um. »Wo?« Und BUMM!
»Carmela? …«
»Bist du wieder wach?«
Ich traute mich kaum, die Augen zu öffnen, betete: Bitte lass es nicht die gefährliche Sexbombe Carmela sein! Ich
blinzelte vorsichtig unter dem einen Lid hervor: Nein, es war ein Engel! Jetzt riss ich die Augen weit auf. Was? Ein Engel? Scheißeee!
Im Hintergrund hörte ich eine bekannte Stimme: »Das spielt er nur! Das hat er vor ein paar Minuten genauso gemacht!«
»Ich …«
»Du hast dich am Straßenschild angeschlagen«, sagte der Engel. »Hat dich direkt an der Schläfe erwischt. Da ist die Beule!« Sie fuhr mit dem Finger über meine Schläfe. Die Haut schlug sofort Funken. Echt! Hab im rechten Auge Blitze gesehen. Wahrscheinlich war sie mein Schutzengel. Doch ein anderer kam dazu. Und noch einer. Hmm … so viele Schutzengel gibt’s doch gar nicht! Ein Sack voll mit Schutzengeln? Ich rappelte mich hoch.
Der Straßenbahnfahrer tauchte auf. »Soll ich einen Krankenwagen rufen?«
»Nee!«, sagte ich. »Mir geht’s super!«
»Dagegen bist du gedonnert«, sagte Engel Nr. 3 und klopfte auf das verfluchte Straßenschild. Darauf war ein großes Ausrufezeichen und der Schriftzug Gefahrenstelle . Welches Arschloch hat das hier nur aufgestellt, verdammt? Gestern stand das Zeichen noch nicht da. Ich guckte mich um. Ein paar Meter weiter baggerte Bob, der Baumeister, am Straßenrand. Und das um sechs am Nachmittag, wenn normale Leute schon längst Feierabend haben. Hmm … Manche Gefahrenwarnung ist krass gefährlich.
»Du Spinner, du!«, Rowdy schüttelte den Kopf. »War’s jetzt echt?«
»Jep!«
»Ey … krass, Alda!«, sagte er. »Ich rufe nur Carmela und du fällst tot um!«
»Weil ich mich wegen der bescheuerten Carmela umgeschaut habe! Hab das Schild nicht gesehen! Wo ist sie?«
»Carmela? Dort!« Rowdy drehte sich um. »Schon weg!« Er zuckte mit den Schultern.
»Oh!«, sagte Engel Nummer 1. »Du hast dich wegen eines Mädchens verletzt? Wie süß!«
»Nee!« Mist! Statt der teuflischen Carmela flatterten weiter Engel um uns rum. Nichts wie weg hier! Ich zog Rowdy am Ärmel hinter mir her und schlüpfte in die Straßenbahn. Doch die Engel schlüpften uns nach. Anscheinend fand in der Straßenbahn die Engel-Hauptversammlung statt. Vielleicht war es aber auch einfach nur eine Mädchenklasse auf ihrem Ausflug durch Dresden. Und ich Blödmann musste einem solchen Weiberrudel eine meiner fetten Reality-Shows vorführen! Und wieder mal trug Carmela die Schuld an der Ekschn. Carmela, du Biest!
»Frau Schnippköter!«, rief einer der Engel durch die Straßenbahn zu einer dicken Frau, die verdammt nach einer Lehrerin aussah.
»Schnippköter?«, flüsterte mir Rowdy zu. »Kommen die aus Bayern, oder was?«
»Klar«, flüsterte ich noch ziemlich benebelt zurück. »Wo sollen Engel sonst herkommen?«
»Engel?«, fragte Rowdy und guckte sich mit großen Augen um.
»Der Junge ist ohnmächtig geworden!«, kreischte das Mädchen der Lehrerin zu und drehte sich wieder zu mir. Ein T-Shirt mit Aussicht. Im nackten Tal ihrer Brüste lag ein kleines Kreuz. Schon krass, wo die Bayern das Kreuz überall hinhängen. Als gute Katholiken wollen sie wohl, dass der Gekreuzigte jetzt eine bessere Aussicht hat als damals: Statt nach Golgota ins Busental!
»Ich war nicht ohnmächtig!«, rief ich, doch die Engel guckten mich skeptisch an. Die Tür ging zu. Gefangen wie der Graf von Monte Christo. Die Straßenbahn fuhr los. »Ich war nicht ohnmächtig!«, wiederholte ich noch mal, weil’s keiner bestätigen wollte.
»Doch!«, sagte Engel Nr. 1. »Du warst ohnmächtig!«
»Nee! War ich nicht!«
» Ich werd gleich ohnmächtig!«, flüsterte mir Rowdy zu. »Ich kann so viele Keulen auf einmal nicht ertragen!« Und tatsächlich drängten sich immer mehr Engel um uns herum. Es war aber kein Himmel, es war die Hölle. Die Mädchen fragten und fragten und das peinlichste Wort des Tages machte in der Bahn die Runde: »OHNMÄCHTIG!«
»Begleitest du deinen Freund ins Krankenhaus?«, fragte ein Mädchen Rowdy. »Er muss sich untersuchen lassen. Vielleicht hat er eine
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