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Kruzifix

Kruzifix

Titel: Kruzifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xaver Maria Gwaltinger
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Lebens haben.
    Flashback: Wir fahren durch die Nacht Australiens nach Coober Pedy. Einziges Auto weit und breit. Schotterstraße. Eine Schraube war schon aus dem Lenkrad gefallen. Die Kühlerhaube nach oben gerissen und mit Stricken befestigt. Nachts im Busch. Angst. Was, wenn das Auto kaputtgeht? Dann ein Licht. Ein echtes Licht. Coober Pedy. Die Opal-Stadt in the middle of nowhere .
    Ich bin das Licht der Welt.
    In der Gaststube vom »Schwarzen Adler« lief der Fernseher. Licht der Welt. Am runden Familientisch saßen ein Mann und eine Frau, vielleicht Bekannte der Wirtin, vielleicht Feriengäste, solange sie nichts redeten, konnte man das nicht unterscheiden.
    Sie grüßte mich freundlich wie immer. Die Wirtin. Maria. Ave Maria. Ich konnte jedes freundliche Geschau brauchen.
    Ich ließ mich an dem Tisch in der hintersten Ecke nieder.
    »Zwei Bier und zwei Schnaps.«
    »Kommt noch jemand?«, fragte sie.
    »Ja, hoffentlich. Mein Geist.«
    Sie lachte. Mir zuliebe. Ich sah, sie dachte, ich bin übergeschnappt.
    Sie brachte zwei Bier und zwei Schnaps.
    »Noch ein Kalb in den Stall geführt?«, fragte sie.
    »Warum?«
    »Weil Sie einen Kälberstrick dabeihaben.«
    Ich hielt den Strick noch immer in der Hand.
    »Ja«, sagte ich, »der ist für die Rindviecher. Zum Aufhängen.«
    Sie lächelte wieder. Ging. Schnell.
    Ich schüttete den Schnaps rein.
    Oh wie ist das schön!
    Oh wie brennst du schön! So was hat man lange nicht gesehn so schön, so schön.
    Ich brannte mit dem zweiten Schnaps nach.
    Löschte mit Bier.
    Sogar das Flaschenbier schmeckte frisch wie Manna.
    Du schenkest mir voll ein.
    Stimmt. Übervoll. Das Maß war voll.
    Der Fernseher machte eine kurze Unterbrechung, oder war ihnen bei der Sex-Szene die Luft ausgegangen? Eine halbe Sekunde Stille.
    »Noch mal!«, rief ich in den tonlosen Raum hinein.
    Die Wirtin kam.
    Der Fernseher blökte weiter.
    »Noch mal das Gleiche.«
    Sie schaute.
    Sie brachte.
    »Alles in Ordnung?«
    »Alles in Ordnung!«
    Irgendwas war nicht in Ordnung. Irgendwas mit dem Adolf. An einer Stelle in unserer gepflegten Unterhaltung hatte was nicht gestimmt. Aber an welcher Stelle? Und warum? Je mehr ich es herbeizwingen wollte, desto mehr verflüchtigte es sich.
    Auf dem Weg hinauf zur Alm fand ich meinen eigenen Schritt wieder. Ich hielt mich an meinem Strick fest. Ich brauchte einen Halt.
    Vier Biere und vier Schnäpse hatten meine Seele wieder ins Gleichgewicht gebracht, mein Körper wankte wohlig.
    Eigentlich ein Erfolg, ging mir durch den Kopf.
    Ich blickte auf die Lichter, die immer heller unter mir funkelten. Der See. Die Kirche. Die Bauernhäuser.
    Ein Erfolg.
    Ein Doppelerfolg.
    Zwei Erkenntnisse, dachte ich bergauf. Doppelpunkt: Ich, der wiedergeborene Wissenschaftler. Dr.   phil. Emil Bär. Dem Kreuz entsprungen. Wieder beim Denken. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, Doppelpunkt:
    Wenn ich scharf denke, diktiere ich immer ins Diktiergerät. Manchmal diktiere ich auch, wenn ich telefoniere und vergesse, dass am anderen Ende kein Anrufbeantworter sitzt. Am peinlichsten finde ich es, wenn ich mit jemandem rede und diktiere. Aber außer mir auf dem Teerweg und den Kühen auf den Wiesen war niemand da. Also:
    Erstens: Der Theo kann sich nicht aufgehängt haben. Die Leiter ist zu kurz.
    Absatz.
    Zweitens: Jemand will, dass ich auf die Schnauze falle. Für immer.
    Absatz.
    Kombiniere: Der, wo mir die Leiter weggetreten hat, will verhindern, dass ich draufkomme, wie der Theo da hinaufgekommen ist. Und warum will er nicht, dass ich draufkomme? Ja, warum wohl?!
    Und dann war da noch etwas, ich kam nicht drauf …
    Auf einmal blieb ich stehen. Wie vom Donner gerührt. Total nüchtern.

Nachtmaht
    Die Erkenntnis traf mich wie ein Holzhammer: Ich bin in Lebensgefahr.
    Entweder ich stelle meine Schnüffelei ein, oder ich werd umgebracht.
    So einfach ist das.
    So einfach und doch so ergreifend.
    Wenn der Leitertreter weiß, dass ich lebe und auch noch an einem Stück bin und weiter in der Sache herumschnüffle, wird er noch mal zuschlagen. Wahrscheinlich. Sicher. Todsicher.
    Soll ich die Sache an den Nagel hängen?
    Abreisen?
    Wohin?
    Zurück?
    Bin ich Frau Lot?
    Wer die Hand an den Pflug legt und blickt zurück …
    Meine biblischen Besinnungen wurden jäh unterbrochen.
    Ein Dröhnen erhob sich hinter mir.
    Ein Lärmsturm.
    Kamen Tiefflieger?
    Aus Landsberg am Lech?
    Nachtübung?
    Ich schaute mich um.
    Schaue in gleißendes Scheinwerferlicht. Wie die Flutlichtanlage im Rosenaustadion

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