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Kruzifix

Kruzifix

Titel: Kruzifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xaver Maria Gwaltinger
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Oberen.«
    »An was soll er dann gestorben sein?«
    »Er hat sich aufgehängt.«
    Sie schrie laut:
    »Nein! Nicht der Theo!«
    »Weil er schwul war.«
    »Ha … der Theo und schwul.«
    Sie lachte hysterisch.
    »Wenn der Theo schwul war, dann weiß ich nicht, was ich bin …«
    »Was sind Sie denn?«
    »Ach, das war nur so dahingesagt. Aber der Theo war nicht schwul. Die Mannsbilder haben es gesagt. Weil er anders war wie all die anderen.«
    Du bist anders als all die andern. Peter Maffay. Fiel mir einfach so ein.
    »Wie anders?«
    Das Peterle war auf meinem Schoß eingeschlafen.
    »Man hat mit ihm reden können. Er hat einen als … als Frau behandelt.«
    »Das werden doch die andern im Dorf auch tun.«
    »Ja. Für die ist eine Frau nur zum … Sie wissen schon, was ich meine.«
    »Zum Vögeln und zum Arbeiten.«
    »Genau.«
    »Ora et labora.«
    »Was?«
    »Nix. Lateinisches Sprichwort. Ja, jetzt muss ich schon dumm fragen, die Frauen hier haben doch auch noch andere Bedürfnisse. Oder überhaupt Bedürfnisse. Außer … eben …«
    »Ja. Manchmal finden sich Freundinnen zusammen, zum Reden und so …«
    »Wie die Johanna vom Messner. Sie beide sind eng befreundet.«
    »Woher wollen Sie denn das schon wieder wissen?«
    »Ich habe mit der Olivia Obholzer gesprochen. Der Organistin. Die hat gesagt, dass Sie und die Johanna ganz dicke Freundinnen sind, und dem Pfarrer, dem Theo, den Kopf verdreht haben.«
    Das war halb wahr und halb gelogen. Dass die Johanna und die Toni dicke Freundinnen waren, wusste ich von meiner Nachbarin, dass sie dem Theo Amadagio den Kopf verdreht haben sollten, war frei erfunden. Aber es konnte nicht schaden, die Olivia Obholzer ins Spiel zu bringen. Nichts regt die Mitteilungsfreude mehr an als falsche Behauptungen.
    »So ein Schmarren, die ist ja bloß eifersüchtig. Die war scharf auf den Theo. Die wollte, dass sie irgend so eine Messe mit dem Chor aufführen kann und ganz groß rauskommt, und dann hat sie den Theo bearbeitet, aber der hat nicht so recht gezogen. Bei uns so eine Messe …«
    »Welche Messe?«
    »Ich weiß nicht, irgend so ein Zeug, wo in der Wieskirch geht, aber bei uns in Tal nicht. Mit den paar Hansele vom Chor. Von Mozart irgendwas.«
    »Die Krönungsmesse?«
    »Ja, genau die.«
    Ich dachte: Aha. Da hat sie ihren Sex untergebracht, die graue Organistin. Mozarts Krönungsmesse. Sex pur. Vertont.
    »Aber sie hat nicht lockergelassen, ich glaub, die wär auch mit ihm ins Bett gegangen, wenn sie das Ding hätt aufführen dürfen … Anfangs. In letzter Zeit haben sie immer miteinander gestritten.«
    »Warum?«
    »Ich glaub, wegen der Musik. Dem Mozart und so. Man hat sie bis auf die Straß hinaus gehört, wenn sie in der Kirche gestritten haben. Sie hat geplärrt wie eine Furie, und dann hat er geröhrt wie ein Stier, und dann ist sie heulend aus der Kirche hinausgelaufen, und er hat nur gelacht. Sie wollte eben immer ihre tollen Sachen aufführen, die g’spinnerte Wachtel, die g’spinnerte …«
    »Aber sie hatte keine Chance.«
    »Nein, keine.«
    »Die Johanna ist auch schwanger.«
    »Ja, eine Tragödie. Ihr Mann … der Messner, der hat ja …«
    »Prostatakrebs.«
    Die Toni fing wieder an zu weinen.
    Ich fragte mich für wen. Um wen?
    Du bist anders als all die andern, darum lass ich dich nie mehr gehen …
    »Glauben Sie, dass die Obholzer mit dem Tod vom Theo was zu tun hat?«
    Sie unterbrach ihr Weinen. Lachte laut auf.
    »Die Obholzer. Die ist doch zu blöd, dass sie ihren eignen Arsch mit den Händen im Dunkeln findet. Die kennt nur ihr Gesinge.«
    Sie wusste offenbar noch nicht, dass die Olivia Obholzer von ihrem Amt entfernt worden war. Von Kempten. Überhaupt entfernt. Bayernweit. Bundesweit. Weiß Gott, wie weit!
    Ich fragte:
    »Hat der Theo Feinde gehabt?«
    »Nein. Im Gegenteil. Er war bei allen beliebt.«
    »Bei allen Frauen. Für die Männer war er nur der Datschi.«
    »Weil die Männer zu deppert sind, dass sie Amadagio aussprechen. Und wer anders ist als sie und wer anders redet, den mögen sie nicht. Aber Feinde … nein. Feind hat er keinen gehabt.«
    »Auch keinen Grund, einen zu haben?«
    »Nein. Wirklich nicht!«
    »Gibt es eigentlich Schwule im Dorf?«
    »Wahrscheinlich. Aber das würde keiner zugeben. Der könnte hier nicht leben.«
    »Wie der Theo.«
    »Vergessen Sie das mit Theo und schwul.«
    »Woher sind Sie so sicher? Er könnte doch einen Liebhaber gehabt haben, ein anderer ist eifersüchtig geworden, will ihm was antun.«
    »Irrsinn.

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