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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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vergiftet worden war, auch wenn dies schwer zu beweisen sei, da man ihm das Gift sicherlich in kleinen Dosen verabreicht habe.
    Erschüttert hatte ich dem Arzt zugehört und fragte ihn nun voller Sorge nach Rebecca. Noch habe der Aschkenase seine Maske nicht fallen lassen, das wage er noch nicht, meinte Laguna, Rebecca sei schließlich eine Toledano, und er müsse das Trauerjahr respektieren; um sie fügsam zu machen, brauche er auf jeden Fall die Unterstützung der jüdischen Gemeinde. Doch meine Abwesenheit und der Tod ihres Vaters machten sie sehr schutzlos, und der verachtenswerte Kerl bedränge sie immer mehr, treibe sie mit versteckten Drohungen in die Enge, denn er wollte herausfinden, wo sie ein Pergament aufbewahre, das Don José ihm, Noah Askenazi, versprochen habe.
    |289| Nachdem Laguna mich über dies alles in Kenntnis gesetzt hatte und ich nun auch wußte, daß ihr Haus bewacht wurde, schickte ich den Arzt mit einer Nachricht zu Rebecca, damit sie sich heimlich mit mir träfe. Sie kam unverzüglich, und unter Tränen umarmten wir uns so zärtlich, daß der gute Laguna es vorzog, uns eine Weile allein zu lassen. Als wir uns endlich voneinander lösten, nahm ich ihre Hände in meine und blickte sie lange an. Sie hatte ziemlich abgenommen, was mir zeigte, wie sehr sie gelitten hatte. Eindringlich redete ich ihr zu, mit mir fortzugehen, um das ganze Unglück schnellstmöglich zu vergessen.
    Ihre Antwort offenbarte mir jedoch, wie sehr ihre mißliche Lage sie hatte reifen lassen. Sie erklärte mir, daß das nicht so einfach sei. Zunächst gebe es da Doña Esther.
    ›Meine Mutter wird uns nicht begleiten wollen. Sie ist in Konstantinopel geboren und hat diese Stadt nie verlassen, und hier hat sie sich ins warme Nest gesetzt, inmitten all ihrer Plüschkissen, Schminktöpfchen und ähnlichem Plunder. Wir können sie nicht einmal in unsere Pläne einweihen, denn der Blutleere würde sie ihr so oder so entlocken. Sie ist eine willensschwache Frau. Und das bißchen Willen, das sie hat, weiß Askenazi ganz nach seinem Belieben zu beeinflussen.‹
    Das zweite Hemmnis sei ihr Vermögen, Rebeccas Erbe. Nicht so sehr um des Geldes selbst willen als vielmehr wegen all der vielen Menschen, die davon abhingen, da ihr Vater ein großer Kauf- und Finanzmann gewesen sei. Der größte Teil sei in Handelsware in ganz Europa angelegt, in viele Schiffsladungen, in Wechsel … All das zu entwirren würde Monate, vielleicht sogar Jahre in Anspruch nehmen. Wenn wir denn überhaupt an die Geschäftsbücher kämen. Das liege in der Hand von Askenazi.
    ›Was sollen wir also deiner Meinung nach tun?‹ fragte ich sie.
    ›Es gibt einige Orte, wo meine Familie erwiesenermaßen treue Verbündete hat, wie zum Beispiel in Bursa. Das ist nicht weit weg, und dort wird unser ganzes Seidengeschäft abgewickelt, bevor wir die Ware nach Konstantinopel bringen.‹
    |290| ›Aber wird man uns dort ohne einen Geleitbrief von Askenazi Glauben schenken?‹
    ›Wir werden eine noch viel bessere Bürgschaft haben: meinen Vater selbst‹, antwortete sie voller Überzeugung.
    Ich verstand sie nicht sofort, erst als sie folgende Erklärung hinzufügte.
    ›Er wollte eigentlich in Palästina sterben und dort auch begraben werden. Er hatte alles schon vorbereitet für seinen Lebensabend dort. Und er war kurz davor, es in die Tat umzusetzen. Vielleicht ist ihm der Blutleere deshalb zuvorgekommen und hat ihn vergiftet. Aber ich werde ihm seinen letzten Willen erfüllen. Das habe ich ihm an seinem Totenbett versprochen. Und ich möchte seine sterblichen Überreste nicht einem dieser Knochenhändler anvertrauen, die, sobald sie das Geld für die Fracht eingesteckt haben und die Küste außer Sicht ist, die Gebeine über Bord werfen.‹
    ›Und wovon werden wir in Palästina leben?‹
    ›Viele Jahre hat mein Vater verfolgten Juden zur Flucht verholfen und sie dorthin geschickt. Die meisten von ihnen leben inzwischen in Tiberias nördlich von Jerusalem. Sie verdanken den Toledanos ihr Leben und werden uns bis zu ihrem Tod treu ergeben sein. Mein Onkel Moisés wird uns aufnehmen, er leitet die Kolonie.‹
    ›Moisés Toledano ist in Tiberias?‹
    ›Sofort nach der Ermordung Rinckauwers floh er dorthin, um jenes Bollwerk jüdischer Gelehrsamkeit zu schützen. Und das Pergament, nach dem der Aschkenase jetzt sucht, hat er mitgenommen. Wir wußten nicht, ob der Mord an dem Drucker das Werk spanischer Spione war oder ob die Türken dahintersteckten. Deshalb

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