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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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verdächtigte man dich, als du damals zu mir wolltest und man dich im oberen Stockwerk unseres Hauses überraschte.‹
    ›Das begreife ich nicht. Warum hielt man mich denn für einen Spion?‹
    ›Sie glaubten, du suchtest das gleiche, hinter dem Askenazi nun her ist. Mein Vater und sein Bruder dachten, daß du im |291| Auftrag von Euldj Ali handelst, und nahmen an, er habe Rinckauwer ermorden lassen, weil ihm zu Ohren gekommen war, daß dieser Philipp II. eine Botschaft überbringen sollte, um auf der Grundlage dieses Pergaments einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Eine Waffenruhe käme Fartax nämlich nicht sonderlich gelegen, denn dann könnte er nicht mehr die spanischen Schiffe im Mittelmeer kapern, die ihm so große Gewinne einbringen.‹
    ›Ich verstehe ja, daß dein Vater gerne einen Pakt mit dem Sultan schließen wollte. Palästina gehört letztlich zu dessen Territorium. Aber was hat der König von Spanien damit zu tun?‹
    ›Philipp II. trägt unter anderem auch den Titel des Königs von Jerusalem und herrscht zudem über einen Großteil der jüdischen Siedlungen im Abendland. Ohne seine Zustimmung können unsere Glaubensbrüder im Heiligen Land keinen eigenen Staat gründen.‹
    ›
Das
also war der Zweck meiner Mission, weswegen ich nach Ragusa geschickt wurde und von dort nach Mailand, Brüssel und Yuste.‹
    ›Ja, das war der Wunsch meines Vaters. Als Gegenleistung wollte er zwischen dem Sultan von Konstantinopel und dem König von Spanien vermitteln und Friedensbedingungen aushandeln, die beide Seiten zufriedenstellen sollten. Philipp II. muß die Sorgen um das Mittelmeer loswerden, um sich ganz auf Flandern konzentrieren zu können. Und Süleiman möchte im Abendland möglichst wenig Scharmützel mit den Christen haben, weil er den Persern nicht traut und sich um die Ostflanke seines Reiches kümmern muß, angefangen mit der Befriedung Palästinas.‹
    Ich staunte, wieviel Rebecca trotz ihrer Jugend von diesen Dingen verstand.
    ›Und Askenazi?‹ fragte ich.
    ›Ich vermute, daß der Blutleere noch etwas anderes zu erreichen sucht. Zu deiner Mission gehörte noch ein weitaus geheimerer Teil als der Waffenstillstand zwischen Osmanen und |292| Spaniern, den nicht einmal ich kenne und den mir mein Vater vor seinem Tod auch nicht erzählen wollte, um mein Leben zu schützen. Aber mein Onkel ist im Bilde, ihm hat er es anvertraut, als er erfuhr, daß Moisés sich an einen sicheren Ort begeben würde. Nur eines weiß ich: Alles dreht sich um jenes Pergament.‹
    Verschwörungen, Intrigen, dunkle Geheimnisse: all das bedrückte mich und zeigte mir die dringende Notwendigkeit unserer Flucht. Mit Lagunas Hilfe fanden wir ein Schiff, das uns nach Bursa brachte. Der Handelsbevollmächtigte der Toledanos war sehr bewegt, als er Rebecca mit den sterblichen Überresten ihres Vaters erblickte. Er versorgte uns mit den nötigen Geldmitteln, indem er etliche Ballen Seide, die er in Kommission hatte, an einen Glaubensbruder aus Antwerpen verkaufte, der für sein bereits zur Hälfte mit Pfeffer beladenes Schiff noch weiteres Frachtgut benötigte. Damit konnten wir ein leichtes und schnelles Schiff bemannen, mit dem wir ins Heilige Land aufbrachen.
    In Haifa, ein Dutzend Meilen von Tiberias entfernt, gingen wir von Bord. Nachdem wir dort einen Geleitbrief erhalten hatten, reisten wir nach Norden, nach Safed, wo wir dem türkischen Statthalter unsere Aufwartung machten, ihm unsere zahlreichen Geschenke überreichten und ihn um seine Erlaubnis baten, uns in der jüdischen Siedlung niederzulassen und Don José dort zu begraben. Er dankte uns für unsere Gaben und stellte uns eine Eskorte zur Verfügung, mit der wir gen Süden zogen, bis wir endlich in Tiberias ankamen.
    Es war ein kleines Paradies. Ein blühender Garten am Westufer eines blauen, sauberen und fischreichen Sees, der das Galiläische Meer genannt wird und durch den der Jordan fließt. Don José hatte dem Sultan für diese Kolonie einen Pachtzins von tausend Dukaten bezahlt. In seinem Auftrag war sie auf ein paar von Brennesseln überwucherten Ruinen errichtet worden, in denen zuvor nur Schlangen hausten. Sein Bruder Moisés hatte die Stadtmauern wieder hochgezogen, um das im ganzen Mittelmeerraum verstreute jüdische Volk anzulocken |293| und die Stadt vor den Angriffen der Beduinen zu schützen, die entlang der syrischen Handelsstraßen ihr Unwesen trieben. Er hatte auch eine Synagoge bauen lassen und bezahlte einige fromme Männer, damit sie die

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