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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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begleiten‹, sagte Herrera. ›Ich glaube nämlich, daß man einige Seiten dieser Chronik gefunden hat und dem Rest auf der Spur ist. Deshalb brauche ich eine vertrauenswürdige Person, die des Arabischen mächtig ist‹, und an Turriano gewandt fügte er hinzu: ›Habt Ihr mir eine Kopie des Schlüssels für die Bibliothek gemacht?‹
    ›Ich habe ihn in meiner Werkstatt. Aber das muß wirklich unter uns bleiben, denn eigentlich bin ich dazu nicht ermächtigt.‹
    Die Neuigkeit hatte mir die Sprache verschlagen. Die ›Sarazenische Chronik‹ aus al-Hakams Bibliothek befand sich im Escorial! So beschloß ich, mit den beiden am nächsten Tag zu dem Kloster zu reiten. Die halbe Strecke des Weges hatten wir bereits zurückgelegt, als ein heftiges Gewitter losbrach, das uns dazu zwang, in der erstbesten Schenke Zuflucht zu suchen. Als wir sahen, daß der Regen nicht aufhören würde, bevor die |370| Dunkelheit hereinbrach, baten wir um ein Nachtquartier und etwas zu essen. Der Wirt zeigte sich zwar nicht sonderlich erfreut über die unerwarteten Gäste, aber angesichts eines solchen Unwetters konnte er uns die Bitte, uns bei sich zu beherbergen, schlecht abschlagen.
    Wenig später, das Abendessen war gerade aufgetragen worden, war auf einmal draußen vor der Schenke ein lautes Poltern zu vernehmen. Alle Anwesenden mußten es gehört haben, doch nur Turriano, Herrera und ich sprangen auf. Durch die Ritzen eines der geschlossenen Fensterläden konnten wir ein Pferd erkennen, das gegen eine der Mauern des Hauses geprallt war und sich gerade bemühte, wieder auf die Beine zu kommen. Sein Reiter war hingegen nirgends zu entdecken. Wir schickten uns schon an, unsere Umhänge anzulegen, um nach ihm zu sehen, da bat der Wirt uns inständig, uns doch wieder an den Tisch zu setzen. Er selbst werde sich darum kümmern. Und so geschah es, während die übrigen Gäste sich beunruhigte Blicke zuwarfen.
    Wir hatten jedoch kaum fertig gegessen, als im Nebenraum mehrere Krüge und sonstiges Geschirr scheppernd zu Boden fielen. Diesmal reagierte Herrera als erster. Wir liefen hinter ihm her und erblickten den Wirt, der einen ohnmächtigen Mann von draußen hereingeschleift hatte. Als er uns alle sah, versuchte er die Angelegenheit als belanglos abzutun; er behauptete, es sei bloß ein betrunkener Knecht, der seinen Rausch ausschlafen müsse. Aber der Architekt war da anderer Ansicht. Er schien den Mann zu kennen und packte mit an, so daß dem Wirt nichts anderes übrigblieb, als den Bewußtlosen zusammen mit Herrera zum Feuer zu schleppen. Dort gab er ihm ein paar ordentliche Backpfeifen, bis er wieder zu sich kam. Als der Bursche die Augen aufschlug und Herrera vor sich sah, bekam er einen gehörigen Schrecken, ja er war so entsetzt, daß er sich vor ihm auf die Knie warf und ihn anflehte, er möge ihn nicht verraten.
    Der Architekt wendete sich indessen erzürnt ab und fing dann mit Turriano leise einen so erbitterten Streit an, daß sich |371| die beiden bald zurückzogen, damit keiner der übrigen Herbergsgäste mitbekam, worum es ging. Während oben in unserer Schlafkammer ein Wort das andere gab, fragte ich mich, was wohl der Grund sein mochte, daß die beide Freunde, die sich normalerweise immer vertrugen, derart aneinandergeraten waren.
    Nach einer Weile kam Turriano allein zurück. Er schien sehr verärgert zu sein. Er nahm den Mann beiseite und begann auf ihn einzureden. Ich konnte nicht hören, was er zu ihm sagte, aber es mußte etwas Schreckliches sein, denn der Fremde brach in verzweifeltes Schluchzen aus und sank danach mit hängenden Schultern vor dem Feuer zu Boden.
    Herrera kam nicht mehr herunter. Turriano, dessen Zorn noch nicht verflogen war, trat zu mir an den Tisch und schlug vor, vor dem Schlafengehen noch einen Becher Wein zu trinken. Ich machte ihm Platz und wartete auf irgendeine Erklärung. Aber ich brachte ihn nicht zum Reden.
    In Anbetracht seines sturen Schweigens kam ich nicht umhin, unseren Tischnachbarn zuzuhören, die nach dem Zwischenfall gesprächiger geworden waren. Vielleicht hatte aber auch Herreras Abwesenheit ihre Zungen gelöst. Selbst so sprachen sie noch mit gesenkter Stimme, die Köpfe nahe der Öllampe zusammengesteckt, deren flackernde Flamme ihre Gesichter erhellte und ihnen ein furchterregendes Aussehen verlieh. Ihre Worte drangen nur bruchstückhaft an mein Ohr aufgrund des tosenden Sturms, dennoch konnte ich verstehen, daß sie über den Neuankömmling redeten, den sie für einen

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