Kryptum
man
ihn
La Cava
, und seine Fundamente reichten bis in die tiefsten
Tiefen der Stadt, und er war so hoch, daß jedweder Versuch,
einen Kiesel auf die andere Seite zu werfen, mißglückte. Das
äußere Mauerwerk war mit einem glänzenden, vielfarbigen Mosaik
bedeckt, auf dem verschiedene Geschichten dargestellt wurden
. Und dasTor war aus Bronze und uneinnehmbar.
Der Überlieferung nach hatte Herkules ihn erbaut, nachdem er
zuvor einen Drachen hatte töten müssen, der von einer Höhle
aus diesen Ort bewacht hatte. Und Herkules fand den Ort geeignet
, die bei seinen zwölf
Erga
, das heißt seinen ›Arbeiten‹, entdeckten
Geheimnisse in dem Palast aufzubewahren: die Weisheit
des Orients, der chaldäischen Astronomen und der Ägypter, das
Rätsel von Atlantis und dem Garten der Hesperiden. Danach
beschloß er, den Palast mit einem starken Riegel zu verschließen,
und er erließ ein Dekret, damit niemand es wagte, ihn zu öffnen
– vielmehr sollten alle Könige, die ihm auf den Thron folgten
, einen weiteren Riegel hinzufügen. Und den Schlüssel dazu
gab er zwölf der angesehensten Männer Antiguas zur Verwahrung
, die er schwören ließ, dafür Sorge zu tragen, daß der Palast
nie geschändet würde.
So geschah es, und auf diese Weise war das Tor, als die Zeit der
Goten gekommen war, mit vierundzwanzig Schlössern versehen,
einem für jeden König.
Dann bestieg der junge Rodrigo, der widerrechtlich die Macht
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an sich gerissen und sich mit eigener Hand die Krone aufgesetzt
hatte, den Thron. Und statt ein neues Schloß hinzuzufügen, hieß
er die öffnen, die da schon hingen, um zu erfahren, was
La Cava
verbarg. Der Wesir, die Granden des Reiches und die Bischöfe
versuchten ihn davon abzuhalten und widersetzten sich seinem
Befehl. Aber er ließ sich nicht davon abbringen: Er wollte wissen,
was dieser verbotene Ort verbarg. Alsdann boten ihm die bedeutendsten
Persönlichkeiten allen Schmuck und alle Schätze an,
die sie besaßen, nur damit er die Riegel nicht aufbrach: ›Sieh, hier
hast du all das, was du dahinter vermutest, nimm es von uns; aber
tue nicht, was deine Vorfahren nicht wagten, die klug waren in ihrem Tun
, denn dem Verbot zuwiderhandeln birgt große Gefahr.‹
Er aber wollte nicht Abstand nehmen von seinem Vorhaben,
denn jenes Geheimnis, das allen verborgen war, quälte ihn beiTag
und bei Nacht. Don Rodrigo brach also die Riegel auf, öffnete
dasTor und trat ein. Und was er dort sah, erfüllte ihn mit großem
Erstaunen …
In diesem Augenblick vernahmen wir sich nähernde Schritte und Stimmen. Herrera riß mir das Pergament aus der Hand und legte es in fliegender Hast auf den Stapel mit den anderen Seiten, die er so zurechtrückte, daß man nicht sah, daß jemand darin geblättert hatte. Da hörten wir auch schon, wie jemand mit einem Schlüssel im Schloß stocherte. Dann wurde die Türklinke niedergedrückt, und ein Geistlicher kam herein.
›Was habt Ihr hier zu suchen?‹ herrschte er uns an.
Seine Stimme schwankte zwischen Bestürzung und Empörung. Er hatte einen wohlgeformten Kopf mit strengen Zügen, sehr kurzes Haar und einen graumelierten Bart. Es war deutlich zu spüren, daß er sein möglichstes tat, um seine Wut zu zügeln.
›Nichts … gar nichts‹, entschuldigte sich Herrera. ›Wir haben nur nachgesehen, ob ein feuchter Fleck, den ich im Nebenraum entdeckt habe, bis hierher gedrungen ist. Ich wollte mich mit Juanelo Turriano beraten, ob das an einer seiner Wasserleitungen liegen könnte.‹
|378| Die Antwort des Architekten schien den Geistlichen jedoch nicht zufriedenzustellen.
›Wie seid Ihr hier hereingekommen? Ich bin der einzige, der einen Schlüssel hat‹, knurrte er und hielt ihn hoch.
›Die Tür war offen.‹
›Das ist nicht möglich. Ich schließe immer ab.‹
›Ich sage Euch, sie war offen‹, beharrte Herrera stur.
Der Geistliche schüttelte verärgert den Kopf, schwieg dann aber, denn er durfte den königlichen Architekten nicht in aller Öffentlichkeit bloßstellen. Er drehte sich um und trat auf den Gang hinaus, wo wir ihn rufen hörten:
›Don Alonso, kommt einmal her!‹
Solange er draußen war, machte Herrera dem erschreckten Turriano ein Zeichen, er solle ihn nur machen lassen, und mir flüsterte er zu:
›Das ist Benito Arias Montano, der Kaplan des Königs und Revisor der Klosterbibliothek.‹
Später, als ich Herrera ausfragte, erfuhr ich noch mehr über ihn. Dieser Mann hat mehr Kanten und Ecken als der gesamte Escorial, lautete das
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