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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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betreten, stolperte er über etwas Großes, so daß er der Länge nach hinfiel. Auf allen vieren tastete er nach der Taschenlampe, die beim Sturz ausgegangen war. Er konnte sie nicht auf Anhieb finden, so daß er suchend weiterkroch. Da vernahm er ein Geräusch hinter sich. Blitzschnell versuchte er sich aufzurichten, stieß dabei aber mit dem Kopf heftig an eine Tischplatte.
    Und dann hörte er jemanden davoneilen. Er rappelte sich auf, wobei er erneut gegen das Bündel stieß, über das er zuvor gestolpert war. Mit dem Fuß fuhr er über den Boden, bis er die Taschenlampe fand.
    Er knipste sie an. Und da sah er ihn. Lazo. Den Kopf in einer großen Blutlache. Er war tot, daran bestand kein Zweifel.
    Ohne darüber nachzudenken, nahm er die Verfolgung auf. Draußen auf der Treppe blieb er schweratmend im Regen stehen. Plötzlich entdeckte er einige Meter weiter vorn den Flüchtenden, der sich im Eingang eines der zerfallenen Gebäude vor seinen Blicken verstecken wollte.
    Er stürmte hinterher. Am letzten Häuserblock der Gasse holte er ihn ein. Es war der hagere, schwarzgekleidete Mann mit dem seltsamen Gang, den er auf der Pressekonferenz, im Convento |544| de los Milagros und im Krankenhaus gesehen hatte. Der Kryptologe stürzte sich auf ihn. Aber er bekam ihn nicht zu fassen. Der Mann sprang zur Seite und schrie dabei aus Leibeskräften, worauf ein Auto rasant in die Gasse bog und Kurs auf David nahm. Es war ein schwarzer Geländewagen.
    Dem ersten Angriff konnte er gerade noch ausweichen. Er hechtete zur Seite und brachte sich hinter einem der hölzernen Poller in Sicherheit, gegen den der Balken verkantet war, welcher die Fassade abstützte. Als er sich aufrichtete, hatte der Fahrer jedoch schon den Rückwärtsgang eingelegt und raste wieder auf ihn zu, wobei er ein paar der Poller rammte, so daß die Fassade über David einzustürzen drohte.
    Er schützte seinen Kopf mit den Armen, um nicht von einem der herabstürzenden Ziegel erschlagen zu werden, und hastete im Schutz der großen Staubwolke auf die andere Straßenseite hinter eine Laterne. Doch sie hatten ihn gesehen und griffen ihn jetzt von vorne an. Ohne jedes Zögern rammte der Geländewagen den Laternenmast, der sich nun über ihm zu biegen begann. Instinktiv machte David einen Schritt zurück, kam ins Straucheln und fiel nach hinten. Im selben Moment brach der Laternenmast entzwei, und die schmiedeeiserne Laterne stürzte auf ihn herunter.
    Blut lief ihm in die Augen. Verschwommen nahm er das Geräusch des in tausend Stücke zersplitternden Glases wahr und die gellenden Schreie einer Frau. Dann hörte er den aufheulenden Motor des Geländewagens und sah nur noch, wie dessen riesige Räder näher und näher kamen. Das Bild verschwamm im Rot seines Blutes, vermischt mit dem Regenwasser aus einer Pfütze, das ihm ins Gesicht spritzte, und den immer schwächer werdenden Schreien der Frau. Dann umgab ihn nur noch Finsternis, und er fiel und fiel.

|545| IX Die letzte Mission
    Als sich an diesem Tag die Zellentür öffnet, reicht Raimundo Randa ein Blick auf Artal de Mendoza, um die Lage richtig einschätzen zu können. Sein Kerkermeister kann den unerträglichen Schmerz, den ihm der Zangengriff an seinem Armstumpf bereitet, kaum verbergen. Den Berechnungen des Gefangenen zufolge muß die Hemmung wie ein Fangeisen wirken und jedesmal, wenn Artal seine Hand benutzt, das Fleisch mehr und mehr zusammenquetschen. Schweigend messen sie sich mit herausfordernden Blicken. Schließlich wendet Artal de Mendoza seine haßsprühenden Augen ab und zieht die massive Eisentür hinter sich zu.
    Da wird Randa des verschwörerischen Lächelns seiner Tochter gewahr, die unterdessen die Treppe herabgestiegen ist und ihm nun ins Ohr raunt:
    »Vater, wir haben Juanelos Entwurf für den Hauptschlüssel gefunden.«
    »Hat Herrera ihn dir gegeben?«
    »Ja.«
    »Die Zeit drängt. Du weißt, was du zu tun hast, nicht wahr?«
    »Sicher. Ich habe schon angefangen, an dem Teppich zu weben |546| . Doch nun fahrt fort mit Eurer Erzählung, oder Ihr werdet es sein, der nicht fertig wird.«
    »Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, der Abschied von Fartax, dem berühmten Korsaren und Herrscher von Algier. Als ich aus Alexandria nach Kairo aufbrach, mußte ich unaufhörlich an dich und Rebecca denken. Meine Mission trieb mich immer weiter von euch fort. Zumindest beruhigte es mich ein wenig, daß eine Nachricht auf dem Weg zu euch war, die ich jenem mitleiderregenden Blinden mitgegeben hatte,

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