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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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einzuweihen, der ihm den Rücken deckte. Nur wen? Bealfeld? Der Kommissar würde zuerst etliche Sicherheitsvorkehrungen treffen wollen. So lange würden Minsperts Komplizen sicher nicht warten. Außerdem würde Lazo einem Fremden mißtrauen, vor allem, wenn er merkte, daß Bealfeld Amerikaner und Polizist war. Das war also keine gute Idee. Und Rachel? Sie wäre ihm ebensowenig von Nutzen, da Lazo einigen Groll gegen ihre geliebten Großeltern Abraham und Peggy Toledano hegte. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als allein zum alten Palast vor der Casa de la Estanca zu gehen.
    David sah zum Fenster hinaus. Es begann bereits zu dämmern, und zudem hatte es zu regnen begonnen. Bevor er das Zimmer verließ, schrieb er noch eine kurze Notiz, die er in einen Umschlag steckte. Dann zog er sich ein Regencape über, faltete sorgfältig die Millimeterpapierbogen, die Lazo ihm geliehen hatte, und steckte sie in seine Tasche.
    An der Hotelrezeption hinterlegte er den Umschlag für Rachel Toledano und deponierte die CDs im Safe. Die Eile, eines der Taxis zu besteigen, die vor der Tür warteten, ließ ihn jedoch unachtsam werden, so daß er nicht bemerkte, daß ihn in der Halle jemand beobachtet hatte.
    Wenig später stieg er an der Ecke der düsteren Gasse aus dem Taxi. Zwischen den baufälligen Gebäuden rechts und links, die von schweren Balken abgestützt wurden, damit ihre Fassaden nicht einstürzten, ging er auf den alten Stadtpalast vor der Casa de la Estanca zu, wobei er sich immer mal wieder argwöhnisch |542| umblickte. Je mehr er sich dem Ende der Sackgasse näherte, um so unruhiger wurde er. Vor allem, als er zu sehen glaubte, daß das große Portal des Palastes angelehnt war. Er beschleunigte seine Schritte.
    Als er näher kam, bestand kein Zweifel mehr. Das Portal stand offen. Mit vier Sätzen sprang David die Treppe hinauf. Wachsam betrat er den langen Flur. Er sah sich um. Die Zimmertüren, die sich auf beiden Seiten aneinanderreihten, waren geschlossen. Im Flur herrschte fast völlige Dunkelheit. Er rief nach Lazo, erhielt jedoch keine Antwort. Seine Finger tasteten nach dem Lichtschalter, den er mehrmals drückte. Vergeblich. Ein Stromausfall wegen des Gewitters? Ganz am Ende des Flurs war das Wohnzimmer, wo Gabriel Lazo ihn empfangen hatte. Es war totenstill. Der Hund kam ihm in den Sinn. Warum kläffte er nicht?
    David rief noch einmal nach Lazo. Wieder keine Antwort. Da vermeinte er etwas aus dem Wohnzimmer zu hören. Regungslos lauschte er. Nichts. Nur der Regen prasselte unaufhörlich gegen die Fenster. Mit angehaltenem Atem ging er durch den langen Flur auf das Wohnzimmer zu, wobei er darauf achtete, daß ihm nicht das geringste Geräusch entging. Ein schwacher Lichtschimmer stahl sich durch die halboffene Tür. Er war jetzt nur noch wenige Meter davon entfernt.
    Vor der Schwelle blieb er noch einmal stehen und holte tief Luft, bevor er langsam die Tür aufschob. Das Fenster, das auf den Innenhof ging, stand offen, und neben dem anhaltenden Regen war nun auch das Gegacker von Lazos Hühnern zu hören. Da entdeckte er auf dem Sofa einen hellen Fleck. Er trat einen Schritt näher und blieb schreckensstarr stehen. Jetzt war klar, warum der Hund nicht gebellt hatte. Er lag auf dem Sofa, die Zunge hing ihm aus dem geifernden Maul, ein Draht war um den Hals geschlungen. Stranguliert.
    Von Lazo keine Spur.
    Da hörte David aus einem der Zimmer ein Geräusch. Die verdammten Zimmer! Er würde eins nach dem anderen durchsuchen müssen. Er blickte sich um und entdeckte auf dem |543| Fernseher eine Taschenlampe. Sie funktionierte. Er trat in den Gang, nur mit der Lampe bewaffnet. Er riß die Tür des ersten Zimmers auf und drückte sie gegen die Wand, falls sich jemand dahinter verbergen sollte. Bis auf eine wacklige Kommode und ein altes Bettgestell war es leer. Nur das Summen einer Fliege war zu hören, die sich in dem dichten Spinnennetz vor der schmutzigen Fensterscheibe verfangen hatte, wie er im bläulichen Licht der Taschenlampe feststellen konnte.
    Das nächste Zimmer war voller Gerümpel und Papiere. Sicher hatte Lazo in der Nacht seines Besuchs dort die Millimeterpapierbogen seines Vaters gesucht, weshalb David beschloß, sich die Papierstöße etwas näher anzusehen. Er hätte auf der Schwelle stehenbleiben oder die Tür von innen verschließen sollen. Oder sie wie die Tür des ersten Zimmers ganz öffnen sollen. Aber all das wurde ihm erst klar, als es bereits zu spät war. Kaum hatte er den Raum

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