Kryptum
ergründen. Vielleicht ist das die Gefahr, vor der
sie uns warnen wollten. Daß wir uns da bloß nicht hineinbegeben
sollen …«
Da kam mir wieder in den Sinn, daß es in vielen Kulturen
den Glauben an eine geheime Schrift gibt, mit der Gott die Welt
erschaffen hat und die
ER
bis ans Ende aller Zeiten behüten
wollte, weshalb
ER
sie ganz offen zur Schau stellte, ohne daß irgend
jemand wußte, wo und in welcher Sprache sie zu finden
war. Selbst die kleinsten Dinge konnten so verdeckte Spiegel der
größten Mysterien sein.
»Siehst du?« sagte Pedro. »Warum sollte dieser geheime
Schlüssel also nicht in der Regel zu finden sein, wie sich die
Schneekristalle bilden oder die Bäume verzweigen, oder auch im
Muster einer Muschel oder in den Windungen des menschlichen
Gehirns? Die Nuklearenergie haben wir erst vor hundert Jahren
entdeckt, was aber nicht bedeutet, daß es Radioaktivität erst seit
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dem Bau von Atomreaktoren gibt; sie ist bereits in dem Erdalkalimetall
Radium enthalten. Nun, das gleiche gilt vielleicht auch
für die Information. Möglicherweise sind die Zeichen ihres Codes
auch in der Natur zu finden und nicht bloß in den Computern.
Man muß nur danach suchen.«
»Und dieser Schlüssel könnte in einem einfachen Labyrinth
verborgen werden?«
»Natürlich. Das Labyrinth ist perfekt, denn es löst eines der
großen Probleme bei der Speicherung von Information: möglichst
viel auf möglichst wenig Platz unterzubringen …«
Rachel unterbrach die Lektüre, als Kommissar Bealfeld vor ihren Tisch im Konferenzzimmer des Hotels trat.
»Ich lasse mir gerade einen Kaffee bringen. Willst du auch einen?«
»Ja danke, John. Am besten gleich eine ganze Kanne. Ich werde sicher mehr als eine Tasse brauchen, um das alles hier zu verarbeiten.«
Saras Bericht ging noch weiter, doch Rachel hatte für den Moment genug. Sie wollte die Datei schon schließen, da fiel ihr ganz am Schluß noch eine Notiz ins Auge.
Nach diesem Treffen mit Pedro hatte ich noch einiges in Europa
zu erledigen, aber ich sagte alles ab, was nicht unbedingt nötig
war, um so schnell wie möglich in die Vereinigten Staaten zurückzukehren
. Dort fuhr ich sofort zu meinemVater und erzählte
ihm alles. Ich dachte, er würde seine Meinung über Pedro ändern
und ihm helfen. Aber seine Reaktion war ganz anders, als
ich erwartet hatte. Abraham wurde totenbleich. Er murmelte etwas
von der Vergewaltigung der göttlichen Schöpfung und weigerte
sich rundweg, irgend etwas für ihn zu tun. Nun, und was
Pedro anbelangt, so wissen wir ja alle, was danach geschah, auch
wenn niemand die Einzelheiten kennt. Ich weiß nur, daß das
letzte, woran er arbeitete, bevor er in die Klinik der
NSA
eingewiesen
wurde, ein kreisförmiger zellulärer Automat war, der
merkwürdigerweise an ein Gehirn erinnerte. Solange ich ihn besuchen
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durfte, versuchte ich noch mehr aus ihm herauszubekommen
. Und nachdem man mich nicht mehr zu ihm ließ, befragte
ich einen alten Kollegen von Pedro, Jonathan Lee, der im Krankenhaus
ein Zimmer mit ihm geteilt hatte. Er konnte mir jedoch
nur sagen, daß Pedro oft unverständliches Zeug brabbelte. Zurück
in Antigua, als er merkte, daß sich sein Gesundheitszustand
weiter verschlechterte, beschloß er dann, in den Untergrund hinabzusteigen
, wo er spurlos verschwand. Ich fürchte, daß Pedro
sich zuviel zugemutet hat. Wahrscheinlich hat er sein eigenes Gehirn
als Filter benutzt, um die gültige Information von derjenigen
zu trennen, die man zum Schutz des Schlüssels jenem Labyrinth
hinzugefügt hatte. Und so war sein Kopf in einen Zustand
der völligen Umnachtung geraten. Es begann mir Angst einzujagen
. Nach Pedros Verschwinden befragte ich Gabriel Lazo, den
ehemaligen Hausmeister des Zentrums für Sephardische Studien
. Doch er konnte mir nur sagen, Pedro habe ihm aufgetragen,
er solle seine ganzen Papiere verbrennen, damit sich sein Unglück
nicht wiederhole …
»Das zumindest ist nicht geschehen, soviel wissen wir«, hörte sie eine Stimme hinter sich sagen. »Am Sonntag hast du diese Papiere gesehen, die Lazo mir geliehen hatte.«
Rachel drehte sich zu David um, der ihr den Kaffee brachte.
»Wie geht es dir?« fragte sie und nahm seine Hand in die ihre.
»Gut, sehr gut. Jedenfalls wesentlich besser, als wenn ihr mich im Krankenhaus gelassen hättet. Außer dem Gehirnscan hätten sie mir dann noch ein Loch in den Kopf verpaßt. Allerdings weiß ich nicht, warum du dich auf einmal so ins Zeug legst, um mein Leben zu
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