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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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historisch-sentimentalen Gründe kann ich einigermaßen nachvollziehen. Sie haben einige Komponisten zu ein paar netten Opern und volkstümlichen Zarzuelas inspiriert, und man kann damit unzählige Touristen aus aller Welt anlocken. Aber eine internationale Friedenskonferenz ist doch etwas völlig anderes. Eine solch gigantische organisatorische Aufgabe ist für eine Stadt wie Antigua einige Nummern zu groß. Und der Beweis dafür ist, daß gestern beinahe der Papst zu Schaden gekommen wäre. Ganz zu schweigen von der Panik, die auf der Plaza Mayor ausbrach und die man nur schwer in den Griff bekam, weshalb es etliche Verletzte gab.«
    »Darauf kommen wir später zurück, denn das macht die Vorbereitungen für den Besuch des Präsidenten kompliziert. Wie ich auf dem Weg hierher erfahren habe, haben seine Berater in den letzten Stunden alles versucht, ihn zu einer Absage zu bewegen. Aber er will nichts davon wissen. Man hat viel Zeit, Geld und Mühen in diese Sache investiert; und es sind viel zu viele Interessen im Spiel. Als einziges hat er ihnen zugestanden, seine Reise zu verschieben, bis geklärt sei, was wirklich vorgefallen ist. Er will alle Fäden fest in der Hand halten.«
    »Und Sara Toledano ist einer dieser losen Fäden?«
    »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie lose«, seufzte Bealfeld.
    »O doch, das kann ich! Wirres Durcheinander gehört zu Saras Spezialitäten.«
    |75| »Ich dachte eigentlich, Sie und Sara verstehen sich sehr gut. Sara jedenfalls lobt Sie über den grünen Klee.«
    »Einzig und allein ihretwegen sitze ich hier …«
    Der Kommissar nickte erleichtert. Dann griff er nach seiner Aktentasche, die auf dem Stuhl neben ihm lag, und zog den Umschlag mit der Nummer 1 heraus.
    »Das hier ist der Brief, von dem ich Ihnen am Telefon erzählt habe.«
    Sara Toledano hatte seinen Namen mit der Hand geschrieben. David betrachtete ihre Schriftzüge; sie mußte sehr angespannt gewesen sein und heftig aufgedrückt haben, denn die Buchstaben waren tief ins Papier geritzt. Seine Hand zitterte, als er den Brieföffner ansetzte, ein ziseliertes Schwert in Miniaturformat, das meistgekaufte Souvenir aus Antigua. Er zog zwei sorgfältig gefaltete Briefbogen heraus, wobei ihm ein Hauch von Saras unverwechselbarem Magnolienparfüm in die Nase stieg, der stärker wurde, als er sie auseinanderfaltete. Dabei fielen vier keilförmige Pergamentfragmente auf den Tisch.

    David hielt den Atem an, als er die labyrinthischen Linien erblickte. In irgendeiner entlegenen Windung seines Gehirns blitzte eine Erinnerung auf und ließ ihn verblüfft blinzeln.
    »Ist alles in Ordnung?« erkundigte sich Bealfeld besorgt.
    David nickte langsam, fast mechanisch. Es wußte nicht, wie reagieren, und versuchte deshalb Zeit zu gewinnen, indem er mit den Fingerspitzen vorsichtig über die Fragmente strich, die Beschaffenheit des feinen Leders prüfte.
    »Jetzt verstehe ich, warum Sara mir am Telefon versichert |76| hat, sie habe eine außerordentliche Entdeckung gemacht«, erklärte er schließlich, ohne seine Besorgnis verbergen zu können.
    »Das hat sie mir gegenüber auch angedeutet«, bestätigte der Kommissar.
    David schob die Pergamentkeile beiseite und begann den Brief zu lesen, wobei er von seinen Gefühlen derart übermannt wurde, daß er einen trockenen Mund bekam und seine Augen feucht wurden. Bealfeld beobachtete ihn genau. Aus dem Mienenspiel des jungen Mannes konnte er herauslesen, daß die Lage so ernst war, wie er es befürchtet hatte: zu den politischen kamen jetzt auch noch persönliche und familiäre Verwicklungen hinzu.
    Nachdem David den Brief zu Ende gelesen hatte, blickte er auf. Er schien vollkommen überwältigt zu sein, bemühte sich aber, Ruhe zu bewahren. Er legte die Briefbogen zur Seite und sah sich erneut die vier Pergamentkeile an. Er schob sie hin und her, als wolle er verschiedene Kombinationen ausprobieren und sie irgendwie zusammenfügen. Nach einer Weile gab er ernüchtert auf.
    »Nun?« drängte der Kommissar.
    Ohne auf seine Frage einzugehen, erhob sich David und begann in dem weiträumigen Büro wortlos auf und ab zu gehen. John Bealfeld war sich der Bemühungen des jungen Mannes bewußt, seine Gefühle in den Griff zu bekommen, und war mehrere Minuten lang still. Schließlich hielt er es jedoch nicht mehr länger aus.
    »Können Sie mir endlich erzählen, was los ist?«
    David trat an den Tisch und reichte ihm den Brief. Der Kommissar zögerte einen Moment. Eigentlich widerstrebte es ihm,

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