Kryptum
ich nur sehr schwer verwinden können, und ich habe
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nicht vor, an diese alte Wunde zu rühren. Es ist nur so, daß ausschließlich
Rachel rechtmäßigen Zugang zu diesen Dokumenten
hat und einzig und allein Du ihre Echtheit überprüfen kannst.
Ihr seid aufeinander angewiesen. Der Kommissar wird Euch den
Weg ebnen. Er hat die Befugnis dazu. Als ich den Beraterposten
annahm, habe ich dies zur Bedingung gemacht. Ihr dürft Euch
diese einzigartige Chance nicht entgehen lassen, eine solche Gelegenheit
gab es noch nie und wird es auch nie wieder geben.
Seid aber gewarnt: Wenn Ihr Euch auf die Geschichte einlaßt,
so wird es in jeder Hinsicht hart für Euch werden. Das Ganze ist
schwer zu glauben. Die Ungläubigkeit – Eure eigene, aber auch
die der anderen – wird das größte Hindernis sein, das Ihr überwinden
müßt, um voranzukommen. Ihr werdet von einer Überraschung
in die nächste stolpern, wie es auch mir ergangen ist und
vor mir Deinem Vater.
Solltest Du an meiner geistigen Gesundheit zweifeln, nachdem
Du die Dateien auf der beigelegten
CD
geöffnet hast, dann
achte auf die Vorfälle auf der Plaza Mayor. Ich hoffe, daß man
das Ganze danach endlich ernst nehmen wird. In Antigua solltest
Du unbedingt mit dem Architekten Juan Antonio Ramírez
de Maliaño sprechen. Er ist Rachels Patenonkel und liebt sie wie
eine Tochter. Fragt ihn nach dem »freitäglichen Regen«. Er wird
es verstehen. Das war das letzte, worüber wir während unseres
Besuchs im Escorial geredet haben.
Lieber David, vergiß nicht, was wir so oft miteinander besprochen
und was diese gemeinsamen Arbeitstage für uns beide bedeutet
haben. Auch wenn zig Kilometer, ja ein ganzer Ozean
zwischen uns gelegen haben, so haben wir doch ein gutes Team
abgegeben, meinst Du nicht auch?
Sei auf das herzlichste umarmt,
Sara
PS: Und was das Foto auf dem Schreibtisch angeht – ich würde
mich freuen, wenn Du es behieltest. Dein Vater hätte es so gewollt
.
|80| Bealfeld faltete den Brief zusammen und setzte bedächtig die Brille ab. In Saras Büro war es jetzt so still, daß nur das leise Knarren des Parketts unter Davids Schritten zu hören war, der noch immer auf und ab ging. Der Kommissar wunderte sich über Sara. Vor allem darüber, daß sie ihm aufgetragen hatte, David Calderón noch vor ihrer eigenen Tochter Rachel aufzusuchen. Aber die Numerierung der Umschläge ließ keinen Zweifel zu. Eines war jedenfalls klar: Wenn es ihm nicht gelänge, David zu überreden, ihn zu begleiten, würde es wenig Sinn haben, Rachel zu treffen. Und ohne die beiden brauchte er gar nicht erst zur National Security Agency zu fahren, um James Minspert den dritten Umschlag auszuhändigen.
»Da hat mir Sara ja eine schöne Aufgabe aufgehalst«, murrte er.
David Calderón ahnte wohl, wie groß seine Verwirrung sein mußte, denn er sagte:
»Ich vermute mal, Sie haben nicht viel verstanden, Kommissar.«
»Offen gestanden nur sehr wenig.«
»Vielleicht klären sich einige der Fragen ja mit der CD, die Sara mitgeschickt hat. Wo ist sie?«
»War sie nicht in dem Brief? Dieser Umschlag ist alles, was sie mir für Sie mitgegeben hat.«
David sah noch einmal hinein, doch er war leer.
»Wenn sie nicht in dem Brief für ihre Tochter Rachel ist …«
»Sagen Sie«, drängte es Bealfeld zu fragen, »was meint Sara, wenn sie davon spricht, sich mit Ihrem Vater zu vereinen?«
»Auch mein Vater ist in Antigua verschwunden. Vor vielen Jahren. Es wurde nie offiziell bestätigt, aber wir vermuten alle, daß es ihm gelungen ist, in geheime unterirdische Gänge der Stadt vorzudringen, aus denen er dann nicht mehr herausgefunden hat.«
»Und an welcher Stelle ist er hinabgestiegen?«
»Das weiß niemand.«
»Und er hat niemandem von seinen Plänen erzählt?«
»Zum damaligen Zeitpunkt war er schon sehr verwirrt. |81| Tagelang sprach er kein Wort. Und wenn er doch einmal den Mund auftat, dann redete er nur völlig unverständliches Zeug. Sara muß irgend etwas entdeckt haben und glaubt jetzt wahrscheinlich, sie könne herausbekommen, was damals geschehen ist.«
»Denken Sie, daß Sara den Eingang zu einem dieser Gänge gefunden hat?«
»Keine Ahnung. Sie haben ja gesehen, daß sie sich über all das ausschweigt.«
»Finden Sie das nicht seltsam?«
»Sie hat es sicher mit Absicht unerwähnt gelassen. Offensichtlich will sie nicht, daß wir ihr folgen, bevor wir nicht auch die Teile des Rätsels gelöst haben, die sich ihr
nicht
erschlossen haben. Sie weiß sehr gut, in
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