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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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darauf, die alte Lederaktentasche mitzunehmen, in der er seine Akkreditierungen hatte. Nach einer genauen Durchsuchung gestattete man es ihm.
    Nachdem sie diese Formalitäten hinter sich gebracht hatten, sah David, wie der Kommissar eine Kennkarte mit den Buchstaben
PV
für
Privileged Visitor
erhielt. Rachel mußte sich mit einem einfachen
V
für
Visitor
zufriedengeben. Ihm selbst gab man eine rote Karte, was ihn zutiefst empörte. In der Agency war sie als »Der scharlachrote Buchstabe« bekannt. Den Vorschriften nach war es vielleicht korrekt, schließlich war er ein ehemaliger Mitarbeiter, aber diese Kennzeichnung stellte ihn auf die Stufe der Externen: der Angestellten von Bank, Friseursalon |209| oder Pizzeria … Es war, als wolle man ihn an seinen schmählichen Abgang erinnern.
    »Ich glaube, ich weiß, wer diese brillante Idee hatte«, murmelte er mit unterdrückter Wut, während er sich den Ausweis um den Hals hängte.
    Im selben Moment stürmte ein Mann mit großen Schritten auf sie zu. David raunte dem Kommissar ins Ohr:
    »Da kommt James Minspert. Achtung, er steht ziemlich unter Strom.«
    Der Mann, der jetzt auf der anderen Seite des Sicherheitsglases die Empfangshalle durchquerte, mußte schon weit über sechzig sein, und obwohl er sehr sorgfältig gekleidet und frisiert war, wirkte er nicht gerade elegant. Seine graugrünen Augen, die durch die geplatzten Äderchen bläulich wirkenden Wangen und das wabbelige Doppelkinn verliehen ihm das Aussehen eines Jagdhundes. Er wies den Sicherheitspolizisten an, nur Bealfeld die Kontrollschranke passieren zu lassen. Kaum stand der Kommissar vor ihm, fuhr er ihn auch schon in barschem Ton an.
    »Ich dachte eigentlich, mit
Ihnen
verabredet zu sein. Sie wollten mir nur einen Brief von Sara Toledano übergeben.« Bealfeld öffnete den Mund, um zu antworten, aber Minspert setzte seine Tirade schon fort, wobei er wild mit den Händen fuchtelte: »Und was sehe ich? Sie tauchen hier gleich mit
zwei
Begleitern auf!«
    Wortlos verschränkte er die Arme vor der Brust in Erwartung einer Erklärung. Bealfeld kratzte sich sein lichtes Haar am Hinterkopf.
    »Ich habe es Ihnen doch schon am Telefon erklärt«, murmelte er zwischen den Zähnen und senkte den Kopf, um sich die Wut nicht anmerken zu lassen, die in ihm aufstieg. »Die neuesten Entwicklungen machen die Anwesenheit von David Calderón und Rachel Toledano unbedingt erforderlich. Mr. Calderón hat zu den Dokumenten, die Rachels Familie hier deponiert hat, neue Einzelheiten erfahren. Und wenn ich mich nicht sehr täusche, so erteilt Sara ihrer Tochter mit dem Schreiben |210| in diesem Umschlag die Vollmacht, die Dokumente der Familie an sich zu nehmen.«
    James Minspert starrte sein Gegenüber mit gerunzelten Augenbrauen an.
    »Diese neuesten Entwicklungen möchte ich lieber von Ihnen hören. Oder haben Sie etwa vergessen, daß die junge Dame Journalistin ist und Calderón ein ehemaliger Mitarbeiter und daß beide uns enorme Probleme bereitet haben? Ich lese besser zuerst diese angebliche Vollmacht von Sara Toledano, und dann reden wir beide weiter. Ihre Begleiter werden hier warten. Wir können sie danach immer noch rufen …«
    David und Rachel beobachteten derweil die beiden Männer durch die Glasscheibe.
    »Sehen Sie? Sie werden uns nicht hineinlassen«, flüsterte der Kryptologe Rachel zu.
    »Nun malen Sie mal nicht alles so schwarz. Er
muß
uns hineinlassen. Minspert kennt seine Pflichten.«
    »Nun, vielleicht wird er es Ihnen erlauben. Aber was mich angeht …«
    Rachel schnaubte. Besorgt über das Schicksal ihrer verschwundenen Mutter, die Nerven zum Zerreißen gespannt, brauste sie auf:
    »Wenn Sie damit andeuten wollen, daß ich Minsperts Gebaren gutheiße oder mein einstiges Verhalten rechtfertigen möchte, dann haben Sie sich geschnitten. Sollten Sie sich damit aber nur ein paar Probleme ersparen wollen, dann lassen Sie gefälligst ihre Mitmenschen aus dem Spiel!«
    David gab darauf keine Antwort; er wollte nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Aber er fragte sich, auf welche Seite sich die junge Frau stellen würde, wenn es mit Minspert hart auf hart käme. Würde sie einem hohen Beamten der NSA die Stirn bieten? Das hieße, die ganze Institution gegen sich zu haben, und sie wußte nur zu gut, wie gefährlich das sein konnte. Mit der Agency und Minspert auf ihrer Seite könnte die Suche nach Sara hingegen sehr viel leichter werden. Seine Anwesenheit verkomplizierte die Dinge nur unnötig. Würde sich Rachel

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